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Der Sonntagsmann

Der Sonntagsmann

Titel: Der Sonntagsmann
Autoren: Kanger
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sie ihren Finger zurück, als habe sie sich verbrannt. Die Beine des Opfers … wiesen Spuren von Fangzähnen auf. Die Abdrücke waren charakteristisch. Elina schauderte: Ein Wolf hatte an Ylva Malmbergs Waden genagt. Das war nach Eintritt des Todes passiert. Sie war zweimal von Raubtieren angefallen worden, das erste Mal war sie noch am Leben gewesen.
    Sie legte die Papiere beiseite. Ihre Hand zitterte leicht. Nach einigen Minuten setzte sie ihre Lektüre fort.
    Die Frau war erdrosselt worden, genau wie Kärnlund gesagt hatte. Da so viel Zeit bis zum Auffinden der Leiche verstrichen war, hatte man verschiedene Zeugenaussagen mit Funden vom Mordplatz in Zusammenhang gebracht, um einen offiziellen Todestag zu bestimmen. Das war der 1. Oktober 1979.
    Kärnlund hatte Unrecht gehabt, der Mord war nicht in den Achtzigerjahren begangen worden, sondern 1979 … vor bald fünfundzwanzig Jahren. Elina warf einen Blick auf ihren Tischkalender. Freitag, der 3. September 2004. Sie rechnete zurück. Bis zum fünfundzwanzigsten Jahrestag waren es noch 27 Tage. Danach war der Mord verjährt. In genau drei Wochen und sechs Tagen würde der Mörder ungeschoren davonkommen. Falls er nicht vorher gefasst wurde.

6. KAPITEL
    Elina hatte den Samstag im Dojo mit zweistündigem Training, einem harten Zweikampf mit Sadegh, begonnen. Sie kannte ihn nur vom Karatetraining. Als sie vor bald elf Jahren nach Västerås gezogen war, war er noch nicht Mitglied des Clubs gewesen, sie meinte sich zu erinnern, dass er erst mehrere Jahre später begonnen hatte, dort zu trainieren. Seit zwei Jahren besaß er nun den schwarzen Gürtel. Elina musste insgeheim zugeben, dass er ihr technisch überlegen war, obwohl sie bedeutend mehr Erfahrung besaß und weitaus mehr Jahre auf den Wettkampfmatten verbracht hatte. Sie tröstete sich damit, dass sie nicht in Form war, in diesem Frühjahr und Sommer waren andere Dinge wichtiger als das Training.
    Aber heute lief es gut. Sie hatte am Vorabend kein einziges Glas Wein getrunken, es war der erste Freitagabend seit Ewigkeiten, an dem sie keinen Tropfen angerührt hatte. Dieses Jahr war wirklich anders.
    Nachdem sie ihre Sporttasche in ihrer Wohnung im Lidmansvägen abgestellt hatte, spazierte sie die Stora Gatan hinunter. Sie wollte sich mit Susanne, ihrer besten Freundin, treffen, um ihr zu helfen, Gardinenstoff für die scheinbar zahllosen Fenster im neuen Haus der Familie Norman in Stallhagen auszusuchen. Es handelte sich um eine Villa, für eine Anwältin und einen Anwalt, die zielsicher die Karriereleiter erklommen, durchaus standesgemäß.
    Das Wetter war umgeschlagen, Regen lag in der Luft, und es war fast kühl. Die Passanten, die im Zentrum ihre zielbewusste samstägliche Shoppingrunde drehten, trugen bereits Herbstjacken.
    Susanne war stiller als sonst, und als sie nach dem Stoffkauf im Café saßen, fragte Elina, wo der Schuh drückte.
    »Nichts. Eigentlich ist alles in Ordnung. Das Haus ist super, und Emilie geht es gut.«
    »Aber dir nicht?«
    »Emilie ist jetzt fast vier. Ich habe eigentlich das Gefühl, Johan und ich sollten … aber Sex … hab’ schon fast vergessen, was das Wort bedeutet.«
    »Als wir uns das letzte Mal darüber unterhalten haben, hast du gesagt, dass alles in Ordnung wäre.«
    »Wir waren die ganze Zeit so damit beschäftigt, eine Familie zu sein und haben die Partnerschaft darüber irgendwie vergessen. Zu Anfang war das gar nicht so übel. So soll es vermutlich sein, wenn man gerade ein Kind bekommen hat. Und als wir letzten Winter das Haus gekauft haben, hat mich das vollkommen beschäftigt. Aber jetzt … jetzt ist mir das zu wenig.«
    »Und was sagt Johan dazu? Habt ihr darüber gesprochen?«
    »Nein, es ist ihm unangenehm. Aber ich muss darüber reden. Ich weiß nicht, was ich machen soll. Bist du heute Abend zu Hause? Ich würde gerne kurz bei dir vorbeikommen.«
    »Klar. Dann reden wir darüber. Dann kannst du dir ein paar gute Ratschläge von einer richtigen Partnerschaftsexpertin abholen.«
    Susanne lachte. »Man kann auch aus Fehlern lernen«, meinte sie. »Erzähl mir, was du seit letzter Woche getrieben hast.«
    »Immerhin sind mir keine neuen Fehler unterlaufen. Gestern Abend habe ich eine alte Akte gelesen. Ich weiß, das klingt bescheuert, aber so lustig geht’s bei mir freitagabends zu.«
    »Die muss wirklich interessant gewesen sein.«
    »Eigentlich habe ich die Akte wegen Kärnlund gelesen. Er schien über diesen Fall reden zu wollen, das ist wohl seine Art,
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