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Der Sommer der Legenden

Der Sommer der Legenden

Titel: Der Sommer der Legenden
Autoren: Sarah Eden
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Hauptstraße von Sioux City hinunterfuhren, vorbei an zahllosen winzigen Geschäften mit überladenen Schaufenstern und misstrauisch blickenden Passanten.
    Carol kauerte etwas verloren auf dem Beifahrersitz und starrte mit einer Mischung aus Wut und bitterer Hilflosigkeit durch die Windschutzscheibe nach draußen, ohne allerdings etwas von der typischen Kleinstadtatmosphäre wahrzunehmen.
    Ihre Gedanken waren immer noch auf dem Friedhof, bei Storm.
    Einen Moment lang überlegte sie ernsthaft, ob sie Fisher mit dem konfrontieren sollte, was sie wusste. Irgendwie scheute sie davor zurück. Doch dann wurde ihr klar, dass sie ihn einweihen musste.
    »Hast du Storms rechte Hand gesehen?« fragte sie scheinbar zusammenhanglos.
    Fisher nickte und blickte sie fragend an.
    »Ihm fehlte ein Finger«, sagte er. »Wer immer Storm in den Sarg gelegt hat, er ging nicht gerade zimperlich mit ihm um. Die Frage ist, ob man ihn den Finger bei lebendigem Leib abgeschnitten hat oder erst, als er bereits tot war.«
    Carol schüttelte den Kopf. »Darum geht es nicht«, widersprach sie.
    Sie nahm ihre Handtasche und öffnete den Verschluss. Dann griff sie etwas umständlich hinein und holte einen in ein Taschentuch gewickelten Gegenstand heraus.
    »Was ist das?« fragte Fisher.
    Carol nahm das gefaltete Poliertuch auseinander. »Das«, sagte sie mit leisem Schaudern, »ist Storms Ring...«
    Sie hielt ihm den schweren Goldring mit dem stilisierten Kreuz auf der Oberseite hin.
    Fisher verstand immer noch nicht. »Hast du ihn... aus dem Sarg genommen?«
    »Nein, großer Himmel!« schrie Carol und bedauerte es im selben Moment. »Entschuldige«, murmelte sie, »aber... ich habe ihn von Taylor!«
    »Von Taylor?« Fisher starrte sie verständnislos an.
    Für Sekunden ließ er den Verkehr außer Acht. Erst das durchdringende Hupen eines anderen Fahrers lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf die Straße.
    »Sie spielte vor ein paar Tagen damit, und ich nahm ihn in Gewahrsam«, erklärte Carol. »Ich habe dir doch von Storms rätselhaftem Besuch und der Warnung, die er ausgesprochen hat, erzählt.«
    »Du meinst, kurz bevor er von der Bildfläche verschwand.«
    Carol nickte. »Bei diesem Besuch sah ich den Ring zum ersten Mal. Der Reverend...« Sie stockte kurz, zwang sich aber weiterzusprechen. »Er trug ihn an jenem Finger, der jetzt fehlt...!«
    Fisher bremste so heftig, dass hinter ihnen erneut ein Hupkonzert ertönte. Doch es kümmerte ihn ebenso wenig wie Carol. Er riss das Lenkrad herum und steuerte mit fast stoischer Ruhe den Bürgersteig an. Dann stellte er den Motor ab.
    »Das ist Wahnsinn«, behauptete er überzeugt. Er griff nach dem Ring und wog ihn lange zwischen den Fingern. »Warum hast du ihn nicht Farron gegeben?«
    Carol starrte ihn an, als hätte er gefragt, ob sie den nächsten Urlaub mit ihm auf den Mars verbringen wollte.
    »Verdamme«, sagte sie eindringlich, »es geht um Taylor!«
    Fisher senkte den Blick. Einen Moment lang wirkte er völlig hilflos und verloren, doch dann straffte er sich wieder.
    »Wir müssen sie fragen, woher sie den Ring hat«, entschied er mit rauer Stimme.
    »Glaubst du, das hätte ich nicht schon versucht?« fragte Carol empört.
    »Dann müssen wir es eben noch mal versuchen. Sie muss es uns sagen!«
    Er wartete gar nicht erst auf ihre Zustimmung, sondern startete den Motor und gab Gas.
    »Kannst du vorher noch kurz bei der städtischen Bibliothek anhalten?« fragte Carol. »Ich möchte mich mit Informationsmaterial über die Gegend versorgen.«
    Fisher wirkte ungeduldig, nickte aber.
    Da sie noch wenig ortskundig waren, mussten sie ein paar Fußgänger nach dem Weg fragen.
    Fisher wartete im Wagen, während Carol in den riesigen Bau aus grauen Steinquadern eilte. Die Bibliothekarin erwies sich als nett und hilfsbereit, so dass Carol in kürzester Zeit ein ganzes Paket mit Chroniken zusammengestellt hatte.
    Als sie schwer beladen zur Tür hinauseilen wollte, glaubte sie hinter einer der vielen Regalreihen eine vertraue Gestalt in Cowboyhut und Tunika verschwinden zu sehen.
    Pickwick?
    Doch sie konnte sich irren. Alles war ganz schnell gegangen. Und sie war nicht in der Stimmung, tatsächlich mit ihm zusammentreffen zu wollen.
    Sie verließ die Bibliothek und stieg zu Fisher ins Auto.

    Fünf Minuten später erreichten sie den Kinderhort, wo sie Taylor für die Dauer der Graböffnung zurückgelassen hatten. Er lag etwas außerhalb der Stadt, umgeben von einem blühenden Park mit vielerlei
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