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Der Sohn des Verräters - 21

Der Sohn des Verräters - 21

Titel: Der Sohn des Verräters - 21
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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gerufen hatte? Flieh!
    Das einzelne Wort schallte wie eine gewaltige Glocke in seinem Kopf und übertönte für einen Moment alle anderen Überlegungen. Hermes-Gabriel Aldaran hatte Angst, und er schämte sich nicht, es sich einzugestehen. Halb erhob er sich von dem unbequemen Hocker, um sogleich wieder niederzusinken. Fremde Augen beobachteten ihn, und auch wenn es Tage oder gar Wochen dauern konnte, bis menschliche Augen die Aufzeichnung dieses besonderen Augenblicks betrachteten, musste er aufpassen, dass sein Verhalten keine Aufmerksamkeit erregte. Er musste an Kate und die Kinder denken.
    Er rief sich die erinnerten Worte noch einmal ins Gedächtnis, und seine Frustration wuchs. Wann würde Nagy diese niederschmetternde Ankündigung machen? Was nützte ihm sein Vorherwissen, wenn er keinerlei Hinweise darauf hatte, ob die vorausgesehenen Ereignisse morgen oder in der nächsten Woche eintreten würden! Herm zwang sich, die augenblickliche Situation so ruhig und objektiv wie möglich zu betrachten. In einer Hand voll Welten brodelte es am Rande eines Aufstands, und wenn die Premierministerin die gesetzgebende Körperschaft auflöste, würde mindestens eine der Welten dies als Vorwand benutzen, um einen Bruch mit der Föderation zu versuchen. Für ihn war das klar, aber er konnte sich nicht sicher sein, ob Nagy es ebenfalls durchschaute. Ihr Beraterstab bestand fast ausschließlich aus den extremeren Stimmen in der Partei, aus Leuten, die allen Ernstes glaubten, sie verstünden es besser, das Leben auf den einzelnen Planeten der Föderation zu regeln, als die Bewohner selbst.
    Und welche Bedeutung hätte die Auflösung der Legislative für die Gouverneure, Könige und anderen Regierungsorgane auf den Mitgliedsplaneten? Ohne eine Vertretung würden sie ihrer Stimme vollkommen verlustig gehen. Würde Nagy die Verfassung außer Kraft setzen und das Kriegsrecht einführen?
    Herm rieb sich nachdenklich den kurzen Bart. Nein, so weit würde sie nicht gehen – jedenfalls nicht sofort. Stattdessen würden sie und ihre Kumpane warten, bis irgendein Planet rebellierte, und das als Vorwand benutzen, den Notstand auszurufen. Das war der logische Verlauf.
    Hatte man bereits Truppen zu jenen Planeten geschickt, die für gefährlich oder potenziell abtrünnig gehalten wurden?
Herm wusste es nicht, und er konnte sich unmöglich Zugang zu Dateien mit jenen Informationen verschaffen, ohne augenblicklich Verdacht zu erregen. Er sollte aber vorsichtshalber davon ausgehen, dass Teile der Flotte an Ort und Stelle oder auf dem Weg waren. War nicht von Manövern im Sektor Castor die Rede gewesen? Er kratzte sich am Kopf und zermarterte sein müdes Hirn. Doch, Castor war richtig. Dort gab es zwei Welten, auf die er sich konzentrieren würde, wenn er ein Stratege der Expansionisten und auf Streit aus wäre.
Herm gab sich für den Augenblick zufrieden mit den theoretischen Überlegungen, die er ohne echte Informationen angestellt hatte, und versuchte seine eigene Lage zu analysieren.
Wo stand er? Er war der unabhängige Senator eines geschützten Planeten und stellte für niemanden eine offene Gefahr dar. Er hatte sorgsam eine nicht bedrohlich wirkende Persönlichkeit kultiviert und war damit all die Jahre gut gefahren.
Aber Herm war mit den Grundzügen des expansionistischen Denkens ausreichend vertraut, um zu wissen, dass sie jeden als ihren Feind betrachteten, der nicht ihr Verbündeter war. Er hatte erlebt, wie einige seiner Freunde im Senat durch Skandale zu Fall gebracht wurden, von denen er wusste, dass sie frei erfunden waren, und er hatte nicht vor, abzuwarten, ob er das jüngste Opfer werden sollte. Das war zwar unwahrscheinlich, weil Darkover kein bedeutender Planet war. Aber zum Schutz seiner Familie war Vorsorge gewiss nicht verkehrt.
Denn war der Senat erst einmal aufgelöst, genossen er und seine Lieben nicht länger die Immunität seines Amtes. Dann konnte man ihn verhaften, wenn nicht noch schlimmer. Wenn er doch nur nicht so müde wäre und klar denken könnte.
Stattdessen hatte er einfach nur Angst und kämpfte gegen den Impuls zu fliehen an.
Herm beschloss, dass er herausfinden musste, wann Sandra Nagy ihre politische Bombe nun tatsächlich platzen lassen wollte, bevor er irgend etwas unternahm. Er stand von dem Hocker auf und tappte zu seinem Haushaltsterminal. Zumindest würde diese Handlung den Spionen in den Wänden nicht ungewöhnlich erscheinen. Herm hatte nämlich die Angewohnheit, sich mehrmals täglich in die
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