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Der Sohn des Verräters - 21

Der Sohn des Verräters - 21

Titel: Der Sohn des Verräters - 21
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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Wahrheit nicht gesagt, ganz der alte Schlaumeier. Er hatte einfach weitergemacht mit seinen politischen Tricksereien, hatte Darkover vor räuberischen Elementen in der Föderation bewahrt und die Sache vor sich hergeschoben. Reue und Schuldbewusstsein brandeten in ihm auf, und in seinem Magen schienen wütende Insekten zu rumoren.
    Nach dem Tod seiner Mutter war er ein in sich gekehrtes Kind gewesen und zu einem heimlichtuerischen Erwachsenen herangewachsen, eine Lebensweise, die ihm während seiner Jahre in der Föderation zustatten kam. Sogar die Wände hatten hier Augen und Ohren, selbst in diesem armseligen Ersatz für eine Küche, der so genannten NZ-Zone. Zwei Arbeitsflächen, eine winzige Spüle, ein Kühlkasten und ein Heizfeld waren kein Vergleich zu einem geräumigen Steinsaal mit einem bienenkorbförmigen Ofen in einer Ecke, ein, zwei großen Kaminen und einem langen Tisch, an dem die Dienerschaft sitzen, essen und schwatzen konnte. Die alte Köchin auf Burg Aldaran, die inzwischen vermutlich tot war, hatte eine wundervolle Art, Schwimmvögel mit Gemüse zuzubereiten; das Wasser lief ihm im Mund zusammen, wenn er nur daran dachte. Er hatte kein frisches Fleisch mehr gekostet, seit er vor neun Jahren mit Katherine auf Renney gewesen war. Proteine aus der Retorte hatten kein Aroma, auch wenn sie seinen Körper nährten.
    Er verbannte die angenehme Vorstellung an das feiste Geflügel, aus dem Fett und rosa Saft tropften, aus seinem Kopf und versuchte sich auf sein abruptes Aufwachen zu konzentrieren. Was hatte ihn nur aus der dringend benötigten Ruhe geschreckt? Er hatte keine Erinnerung an einen Traum, es musste also etwas anderes gewesen sein. Obwohl es warm im Raum war, zitterte Herm noch immer am ganzen Leib, und er sah, wie sich auf seinen Unterarmen eine Gänsehaut bildete.
    Er hatte nicht geträumt. Nein, ziemlich sicher machte sich gerade seine Aldaran-Gabe bemerkbar und ermöglichte ihm einen Blick in die Zukunft, auf den er wahrscheinlich gern verzichten würde, sobald ihm wieder einfiel, worum es ging. Sein Laran war bescheiden, es reichte gerade, um gelegentlich einen Gedanken der Männer und Frauen aufzuschnappen, mit denen er tagtäglich zu tun hatte, und er achtete sorgsam darauf, diesen Vorteil weder zur Schau zu stellen noch zu missbrauchen. Er verließ sich weit mehr auf seine natürliche Schläue als auf seine telepathischen Fähigkeiten – eine zuverlässigere Gabe und moralisch weniger zweifelhaft.
    Außerdem war er Diplomat und kein Spion, und nur weil die Föderation jeden seiner Schritte überwachte, musste er es ihr nicht gleichtun. Er fragte sich allerdings, was die unsichtbaren Zuhörer wohl von seinen Liebesbegegnungen mit Kate hielten. Wahrscheinlich nichts, da sie Nacht für Nacht Millionen solcher Ereignisse aufzeichnen mussten. Dennoch vermisste er die echte Ungestörtheit schmerzlich, umso mehr, als er überzeugt war, auch in diesem Augenblick beobachtet zu werden. Er konnte immer wieder aufs Neue darüber staunen, was Menschen im Namen der Ordnung alles anstellten.
    Nun musste ihm nur noch einfallen, was ihn geweckt hatte, dann konnte wieder schlafen gehen. Irgendetwas war mit Sicherheit im Busch, aber dieses Gefühl verfolgte ihn seit Wochen. Er hatte gelegentlich die Gedanken seiner Abgeordnetenkollegen aufgefangen – sie waren zutiefst beunruhigt. Das beschränkte sich nicht allein auf die Opposition, denn er hatte auch bei einer ganzen Reihe von expansionistischen Senatoren bemerkt, wie sie sich im Geiste krümmten, wobei ihre Gedanken die Worte aus ihrem Mund Lügen straften. Da er nicht über ein ausgeprägtes Laran verfügte, das seinem Vorgänger einen großen Vorteil verschafft hatte, behalf sich Herm mit Fetzen ungeschützter Gedanken, und was er zu hören bekam, war meistens eher banal und ichbezogen als nützlich.
    In den Fluren und Konferenzzimmern des Senatsgebäudes machte sich in diesen Tagen Angst breit, und Herm hatte beobachtet, wie sich langjährige Verbündete nun misstrauisch beäugten. Man fürchtete sich aus gutem Grund. Opposition gegen die Pläne der Expansionisten war gefährlich, und so mancher Senator hatte in den letzten Jahren einen unerklärlichen Unfall erlitten oder war von einer plötzlichen Krankheit heimgesucht worden. Vertrauen und die Fähigkeit zu vernünftigen Kompromissen, die Grundpfeiler einer repräsentativen Regierung, waren so gut wie verschwunden, an ihre Stelle waren Vorsicht und Paranoia getreten, die Herm frösteln
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