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Der Sohn des Sehers 02 - Lichtträger

Titel: Der Sohn des Sehers 02 - Lichtträger
Autoren: Torsten Fink
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du nicht doch wieder an meiner Seite reiten willst. Curru ist aus dem Stamm verstoßen. Sein Leben ist also nicht mehr viel wert. Ich aber brauche einen neuen Seher.«

    »Kann es vielleicht sein, dass du nicht mich, sondern den Heolin in deiner Hand brauchst, Heredhan?«
    Eris Miene verdüsterte sich. »Ich habe befürchtet, dass du das so deuten würdest, Seher. Nun, du musst wissen, ob du deinem Stamm dienen willst oder nicht.«
    Awin lag eine scharfe Antwort auf der Zunge. Sie führten dieses Gespräch nicht zum ersten Mal. In den vergangenen Tagen hatten Eri, aber auch seine Ratgeber Blohetan und Uredh immer wieder versucht, ihn dazu zu überreden, sich - und den Heolin - in den Dienst des Stammes zu stellen. Awin war bald klar, dass es ihnen eher um den mächtigen Lichtstein als um ihn selbst ging. Er war der fruchtlosen Streitereien jedoch überdrüssig, also schluckte er seine scharfe Erwiderung hinunter und sagte: »Meine Antwort lautet immer noch, dass ich dir weder folgen kann noch will, denn mein Platz ist hier, Heredhan. Muss ich es dir denn wirklich noch einmal erklären?«
    Eri schüttelte den Kopf und erwiderte: »Deine Schwäche für die Kariwa war schon immer offensichtlich, aber ich weiß nicht, worauf du hier wartest. Sie ist mehr tot als lebendig, und die Heiler haben wenig Hoffnung, dass sich das je wieder ändern wird.«
    »Wenig Hoffnung ist besser als gar keine Hoffnung«, entgegnete Awin verärgert. Seit der Schlacht hatte er jede Nacht versucht, auf die Reise des Geistes zu gehen. Er hatte Merege gesucht, ihren Geist, der nach der Schlacht nicht zu ihrem Körper zurückgekehrt war, und nach Senis hatte er gerufen, wieder und wieder. Doch es war jede Nacht das Gleiche: Er stieß nur auf eine finstere Höhle, in der eine schwache Kerze flackerte. Ihm war, als würden ihm aus den Wänden höhnische Stimmen leise etwas zuflüstern, aber er konnte nicht verstehen, was sie sagten. Alles war dunkel, und seine Nächte waren traumlos,
düster und leer. Aber er würde nicht aufgeben. Es musste einen Weg geben, Merege zurückzubringen.
    Helle Frauenstimmen drangen an sein Ohr. Awin horchte kurz auf. Das kam aus einer der Felsenkammern in der Nähe, Mereges Kammer. Gunwa und Wela saßen dort zusammen und besprachen sich. An ihrem Tonfall merkte Awin jedoch schnell, dass es nichts Neues gab. Wela hatte die Pflege der Kariwa übernommen, und Gunwa hatte sofort ihre Hilfe angeboten. Gunwa. Ein trauriges Lächeln huschte über Awins Gesicht. Seine Schwester konnte sich an nichts von dem erinnern, was nach Slahans Überfall auf ihr Lager geschehen war. Doch fast in jeder Nacht wachte sie schreiend vor Entsetzen auf. Vielen anderen Verschleppten erging es ähnlich. Sie wussten nicht, was ihnen widerfahren war oder was sie getan hatten, aber sie wurden von furchtbaren Nachtmahren gequält. Die meisten waren inzwischen fort, hatten, begleitet von kundigen Führern, den langen Marsch zu den Zelten ihrer Heimat angetreten. Yaman Uredh führte eine dieser Gruppen. Auch die Frauen, Kinder und Alten aus dem Klan der Schwarzen Berge waren seit gestern wieder auf dem Weg in die Heimat. Sehr viele waren es nicht. Der Älteste Blohetan, der dem Klan doch erst seit wenigen Wochen angehörte, durfte sie in Eris Namen in die Heimat führen, die er selbst noch gar nicht kannte. Sie nahmen auch viele Schwerverwundete mit. Es war jedoch fraglich, ob diese die Anstrengung des langen Marsches überstehen würden, auch wenn die Eisernen Hakul ihnen Pferde und Hilfe versprachen. Awin schüttelte in Gedanken an die schrecklichen Verluste den Kopf. Sie hatten Slahan besiegt, doch viele Hakul waren durch die Göttin getötet worden, bevor Merege ihr hatte Einhalt gebieten können. Merege. Ihr lebloser Körper lag in der Kammer, äußerlich unversehrt, und doch mehr tot als lebendig, wie Eri so kalt festgestellt hatte. Noch einmal stand Awin vor
Augen, wie Merege in der Mitte des Kreises leblos zusammengebrochen war. Niemand außer ihm hatte den Schatten gesehen oder die Eiseskälte gespürt, die mit ihm gekommen war, aber er wusste, wen er gesehen hatte. Merege hatte Uo, den Totengott selbst, herbeigerufen, um Slahan über den Rand der Welt verstoßen zu können.
    »Sogar die Viramatai geben zu, dass sie ratlos sind«, sagte Eri jetzt. Sein Tonfall war drängend.
    Awin sah ihn nachdenklich an. Natürlich waren sie ratlos - Wela, die dort oben mit Gunwa über Nichtigkeiten plauderte, die Heiler, die Priesterinnen der Sonnentöchter,
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