Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Sohn des Sehers 02 - Lichtträger

Titel: Der Sohn des Sehers 02 - Lichtträger
Autoren: Torsten Fink
Vom Netzwerk:
sich der Kraft der Götter gestellt. »Uo jega!« , rief sie ein drittes Mal. Slahan bebte. Sie schien zu schrumpfen, sich kleiner zu machen, aber sie ließ die Sandsäule nicht los. »Kai Winama! Kai Winama!« , rief die helle Stimme von Merege. Der zweite Koloss stand dicht hinter ihr, die gewaltige Faust zum Schlag erhoben, aber mitten in der Bewegung erstarrte er. Der Boden bebte wieder, und Donner grollte. Ein Unwetter schien sich genau über ihnen zusammenzubrauen. Die Göttin war dort, sie zerrte an der Säule, als wollte sie sie aus der Erde reißen, aber ihr gegenüber stand die helle Gestalt der Kariwa, von Licht erfüllt, eine Hand auf der Säule, und es schien, als würde sie wachsen, größer und heller werden. Selbst ihr schwarzes Haar schien jetzt lichterfüllt, und auf ihrem Gesicht sah Awin Zeichen der Verzückung, obwohl sich ihr Körper gleichzeitig in Krämpfen wand. Ihr gegenüber kauerte die Göttin, das schöne Gesicht zu einer Fratze aus Angst und Hass verzerrt.

    »Uo« , presste Merege hervor, und für einen winzigen Augenblick wich der Ausdruck des Entzückens der bloßen Furcht.
    Awin erkannte, dass die Alte Kraft, die die Säule aus der Erde zog, das Mädchen zerreißen würde. Er stolperte zu ihr. »Die Kraft«, rief er verzweifelt, »du musst sie freigeben, Merege!«
    Das Mädchen zitterte am ganzen Leib. Lichtfäden zuckten aus der Säule. Awin streckte die Arme aus, um die taumelnde Merege aufzufangen. Die Kariwa stieß ihn grob weg und rief: »Zawe Uo! Gajis sema! Uo! Uo!«
    Er hörte ein durchdringendes Geräusch, es schien von überallher zu kommen: Aus dem Boden, der Luft, aus ihm selbst - nein, er hörte es nicht nur, er konnte es fühlen . Ein eisiger Hauch durchfuhr jede Faser seines Körpers, durchdrang seine Kleidung, seine Haut, sein Innerstes bis ins Mark. Es war, als würde rauer Sand seine Knochen abschleifen. Er begann zu zittern, ohne dass er etwas dagegen tun konnte. Dann sah er endlich die Hilfe, die Merege herbeigerufen hatte: Es war ein grauer Schatten, der hinter der zusammengekauerten Slahan aus dem Nichts erschien, ein Umriss. Kaum zu erkennen, und doch verströmte er Macht. Er wuchs und wuchs und streckte in herrischer Geste eine Hand nach Xlifara Slahan aus. Aber er griff nicht nur nach der Göttin, nein, er schien auch Merege packen zu wollen. Awins Nackenhaare sträubten sich, und sein Atem stockte. Er konnte den Anblick dieser gesichtslosen Gestalt kaum ertragen, aber er konnte auch seinen Blick nicht abwenden. Die Erscheinung verdunkelte das Licht und beraubte die ganze Welt ihrer Farbe.
    Mit eisiger Schärfe erkannte Awin seinen Irrtum: Er hatte geglaubt, dass Merege Uo anrufen würde, so wie sie ihn stets um Beistand bat, wenn sie ihre Macht einsetzte, doch nun verstand er bestürzt, dass sie den Gott des Todes selbst herbeigerufen hatte. Und Uo war ihrem Ruf gefolgt. Die graue Gestalt
beugte sich über die Kariwa und die Göttin, und gleich würde Uo seine Opfer ganz umfangen, sie ersticken und mitnehmen. Merege wankte. Immer noch strömte das Licht der Quelle in ihren schlanken Körper. »Kaiwin« , hauchte sie und dann, wie mit letzter Kraft: »Kaiwin Milnar …kaiwin … Wercuna.«
    Die Welt blieb stehen. Einen Herzschlag lang geschah gar nichts. Dann spaltete ein greller Blitz den Himmel und fuhr in die Säule, die zu einer Wolke aus Sand zerstob. Der Boden schwankte, und die Göttin öffnete den Mund zu einem schrillen Schrei. Awin wurde durch die Luft geschleudert. Er landete hart und kam stöhnend wieder auf die Beine. Er konnte den grauen Schatten nicht mehr sehen. Er sprang auf - er musste Merege helfen, irgendwie. Dann kam der Donner. Er stieg aus den Tiefen der Erde auf, schien sich über, nein, in Merege zusammenzuballen und entlud sich schließlich mit einer gewaltigen, krachenden Druckwelle. Awin wurde wieder von den Beinen gerissen, er sah, wie es den Koloss zerschmetterte, hörte Bäume brechen und Steine splittern und den hundertfachen Schrei von Menschen, die von dieser grollenden Welle überrollt wurden. Und ganz hoch über diesem Donner klang eine helle, dünne Stimme, schrill, unirdisch, verzweifelt - und verging.
    Awin kam wieder auf die Beine. Die Göttin war fort. Der Schatten ebenso. Das kalte Licht war erloschen, und in der Mitte des Platzes kauerte die schlanke Gestalt Mereges, erhob sich und stand auf unsicheren Beinen. Er wollte zu ihr, sie stützen, auffangen, doch plötzlich hörte er einen lauten Schrei hinter sich. Er
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher