Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Sohn des Sehers 02 - Lichtträger

Titel: Der Sohn des Sehers 02 - Lichtträger
Autoren: Torsten Fink
Vom Netzwerk:
Nichts! Die Göttin hatte recht. Wie war er nur auf den Gedanken gekommen, sich mit einer Unsterblichen zu messen - er, ein schwacher Mensch? Was sollte er ausrichten, wenn selbst eine mächtige Zauberin versagte? Seine Hoffnung erlosch wie der Heolin. Sein Blick wanderte zu dem Stein. Dieser kleine Funke - wie war er dort hineingekommen? Er war sogar etwas gewachsen. Wo hatte der Lichtstein diese Kraft nur her? Die Kuppel! Plötzlich wurde Awin von einem hellen und klaren Gedanken durchzuckt: Senis’ Rätsel! Entscheidend wird der sein, der geben und nehmen kann. Der Heolin! Nur den konnte die Kariwa damit gemeint haben! Der Lichtstein konnte Kraft nehmen und wieder abgeben. Slahan hatte eine Mauer aus Licht erbaut - und der Heolin würde sie zum Einsturz bringen, würde die Alte Kraft, aus der sie errichtet war, aufsaugen, und dann konnte Merege ihn benutzen, um die Göttin zu vernichten. Er lief zur Lichtwand.
    »Awin!«, schrie eine helle Stimme.
    Er drehte sich um. Merege stand dort in den Rauchschleiern, das Schwert zur Abwehr erhoben. Mit Schrecken sah Awin einen Koloss schwerfällig auf sie zuwanken. Er hatte sie doch allein gelassen! Er hob schon den Fuß, um ihr irgendwie beizustehen, doch dann zögerte er. Er war zu weit weg, und er wusste jetzt, dass er Merege nur auf eine Art wirklich helfen konnte. Aber er konnte seinen Blick nicht abwenden: Der schwere Körper des Kolosses überragte das Mädchen um mehr als das Anderthalbfache, und seine Faust sauste nieder. Merege wich zurück, und ihr Schwert lenkte seinen Schlag mit knapper Not ab. Das grobe Schwert fuhr mit Wucht in das weiße
Pflaster - und zerbrach. Der Koloss verharrte, als könne er das nicht glauben. Wo war der andere? Awin spürte einen Tritt, der den Boden erzittern ließ, und sprang im letzten Augenblick zur Seite. Das Schwert verfehlte ihn um Haaresbreite. Er hatte kein Kariwaschwert, um sich zu verteidigen. Aber er hatte etwas Besseres.
    Er lief rasch die letzten Schritte zum Rand des Kreises, hob den Stab und stieß den Lichtstein zu Boden, genau dort, wo der Zauberkreis auf dem geborstenen Pflaster leuchtete, dort, wo die Kuppel aus Licht ihn und Merege von der Welt trennte. Der Heolin flammte hell auf, und ein Knistern sprang über die Kuppel. Awin spürte einen heftigen Schlag, der in seine Arme fuhr. Er biss die Zähne zusammen und hielt den Stab fest. Er musste die Kuppel zum Einsturz bringen, denn sie sperrte den Gott des Todes von diesem Kampf aus, und ohne diesen Verbündeten war Merege hilflos. Awin fühlte, wie sein Arm taub wurde, und er sah, wie das Licht in den Stein floss. Es schien schneller zu fließen, als der Heolin es aufsaugen konnte. Es umhüllte den Stab, leckte nach seinen Fingern. Awin spürte brennenden Schmerz, aber er hielt den Stab fest. Die Lichtschleier strömten in den Stein, und die Erde unter seinen Füßen bebte. Die ganze Welt schien in Stücke zu brechen.
    »Jetzt, Merege!«, schrie er. Ein dumpfes Stöhnen warnte ihn, dass der Koloss ihn wieder angriff. Er sah ihn heranstampfen und sprang im letzten Augenblick zur Seite. Funkensprühend traf das Schwert auf das weiße Pflaster. Awin schlug, ohne nachzudenken, mit dem Heolinstab nach dem Erdkoloss - und das Geschöpf zersprang in tausend Stücke. Der Heolin berührte den Kreis nicht mehr, aber noch immer strömte ihm das Licht der Kuppel - ja, jetzt auch aus der Quelle selbst - zu. Die Luft war erfüllt von gleißenden Lichtfäden, die in den Heolin mündeten.
    An der Quelle war Merege, in der Mitte des Platzes. Sie stand der Göttin gegenüber, ganz allein, keine Armeslänge von ihr entfernt. Schmächtig, und doch voller Kraft. Jetzt legte sie die Hand auf die gleißende Sandsäule. »Uo jega!« , rief sie und noch einmal: »Uo jega! Mana!« Und der Gott des Todes erhörte sie. Das gleißende Licht sprang nicht mehr flackernd in den Himmel, es nährte nicht mehr die Kuppel, und auch nicht den Heolin - es floss in Mereges Leib. Awin sah ihr Gesicht leuchten. In ihren Augen brannte weißes Feuer.
    »Nein!«, hörte er sich rufen. Die Alte Kraft war nichts, was Menschen nutzen konnten, hatte sie das nicht selbst gesagt? Und er hatte doch den Heolin, der heller als hundert Fackeln über ihm loderte, der so voller Kraft war, dass er ihm Haut und Haar versengte. Im Lichtstein würde Merege genug Stärke finden! Doch es war zu spät. Er war im entscheidenden Augenblick den einen Sprung zu weit entfernt, um ihr den Stab zu geben, sie zu retten. Sie hatte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher