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Der Sohn des Sehers 02 - Lichtträger

Titel: Der Sohn des Sehers 02 - Lichtträger
Autoren: Torsten Fink
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gestürzten Baum geduckt hatte. Awin reckte den
Kopf. Slahan war fort. »Dauwe«, rief er, »der Täuscher ist hier, traut euren Sinnen nicht.«
    Eine jähe Windböe packte Awin und warf ihn gegen den Fels. Es mochte ja sein, dass Slahan ihren Dienern Kraft genommen hatte, aber Nyet war immer noch stark genug, Pforten zu zerschmettern und einen Mann von den Beinen zu holen. Awin kam wieder hoch. Sein Kopf dröhnte. Der Sturm war mit voller Wucht zurückgekehrt, und das wilde Lachen von Seweti gellte Awin in den Ohren. In seinem Kopf rasten Schmerzen, er konnte kaum einen klaren Gedanken fassen. Skefer musste in der Nähe sein. Plötzlich standen mitten im wirbelnden Sturm Wela und Merege Seite an Seite. Wela hielt den Stab zitternd mit beiden Händen. Merege hatte eine Hand auf den Lichtstein gelegt. Ihre Augen waren geschlossen. Der Wind zerrte an ihr, aber sie stand unerschütterlich. Ihre Lippen bewegten sich, und dann öffnete sie die Augen. Sie waren leuchtend weiß. Vom Tor her drangen unirdisches Stöhnen und Kampfeslärm in den Hof. Das Heer der Sandsklaven musste es erreicht haben. Awin konnte nur hoffen, dass Harmin und seine Männer es lange genug halten konnten.
    Hinter Wela flammte ein bläuliches Leuchten auf. Ein Schemen nahm Gestalt an. Blaue Schleier flatterten im Wind. Awin brüllte eine Warnung in den Sturm. Er sah Sewetis schlanke Hand, die der Schmiedin von hinten ins Genick fuhr. Wela öffnete den Mund zum Schrei, aber kein Ton kam heraus. Sie schnappte nach Luft und ging in die Knie. Merege drehte sich nicht um, ihre Hand lag unverändert auf dem flackernden Lichtstein. Eine Sturmböe packte sie von vorn, aber sie blieb stehen. Ihre langen schwarzen Haare wehten im Wind. Mahuk tauchte aus dem Nichts auf und schlug mit seinem Stab nach Seweti. Die Windskrole lachte und tanzte zur Seite. Dann schnitt eine Stimme klar wie Eis durch den Sturm: »Uo jega.
Kaiwin Gula! Uo jega. Kaiwin Gula!« Die Luft gefror mit einem Knistern. Awin hatte das Gefühl, als würde etwas in ihm zerreißen. Plötzlich war es wieder still, für einen seltsamen Augenblick schien die Welt den Atem anzuhalten. Awin sah Blätter, die in der Luft erstarrten, er hörte ein leises Seufzen, das aus Bäumen und Steinen aufzusteigen schien.
    Dann erhob sich ein dünner Schrei aus der Stille. Dann noch einer, dann waren es vier, sie stiegen an, wurden zu einem Brüllen, so laut, dass Awin glaubte, taub zu werden - und verstummten jäh, wie abgeschnitten. Awin rang um Luft. Er schüttelte den Kopf, um das Gefühl von Taubheit loszuwerden. Blätter taumelten zu Boden. Der Sturm war fort. Nur das leise Rascheln fallender Blätter erfüllte die Luft. Er sah Merege in die Knie gehen. Mahuk hielt Wela im Arm. Mabak stand kreidebleich an den Felsen, den Bogen in den zitternden Händen, und Tuge kroch auf allen vieren durch das Laub. Sie lebten alle noch! Awin kam auf die Beine. Der Heolin! Er war erloschen. Kein Funke war mehr in ihm, er lag im Laub wie ein Stück Bernstein. Sie hatten seine ganze Kraft verbraucht. Doch um ihn herum tanzte wieder das Licht. Es zuckte durch die Bäume, so dass die fallenden Blätter Schatten in der staubigen Luft warfen. Und da war sie: Xlifara Slahan. Sie war wieder zu sehen. Dauwes Zauber war gebrochen. Awin riss sich zusammen. Die schimmernde Gestalt stand in ihrem leuchtenden Kreis und schien ihn anzusehen. Er blinzelte, denn er konnte nicht viel erkennen. Hinter den Bäumen standen wabernde Schleier aus Licht zwischen ihm und der Göttin. Eine Art Kuppel schien sich über den Platz gestülpt zu haben, und unter ihrem Schutz stand die schemenhafte Gestalt, die mit ausgestreckten Armen etwas zu beschwören schien. Sie hatten sie nicht besiegt, noch lange nicht. Und der Heolin war erloschen.
    »Hakul!«, rief Tuge und ließ einen Pfeil von der Sehne
schnellen. Tuge war ein meisterhafter Schütze. Der Pfeil sauste zwischen den Bäumen hindurch, und es gab keinen Zweifel, dass er die Göttin ins Herz treffen würde, so sie denn eines hatte. Der Pfeil durchstieß die dünne Haut der Kuppel - und verbrannte in einer flüchtigen Feuerwolke. Slahan lachte. Awin biss die Zähne zusammen und erhob sich. Merege hatte vielleicht die Winde in die Flucht geschlagen, aber die Gefallene Göttin war noch da. Er stolperte zu der Kariwa, die auf den Knien lag und keuchte. Etwas schlang sich um seinen Fuß und ließ ihn stürzen. Awin zog sein Schwert und hieb nach der Wurzel, die seinen Knöchel umklammerte. Vom Tor her
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