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Der Sohn des Sehers 01 - Nomade

Titel: Der Sohn des Sehers 01 - Nomade
Autoren: Torsten Fink
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Nerven. Dann hörte er ein anderes Geräusch. Awin spitzte die Ohren. Es klang wie das Klappern von Geschirr.
Jemand lachte. Sie erreichten eine lang gestreckte, niedrige Kammer. Awin sah Reste von Mauern, dazwischen die unvermeidlichen gelben Wände, von denen dicht an dicht die Totenköpfe längst verblichener Krieger grinsten. Awin mochte den Raum nicht, er war zu niedrig, zu schmal, das Licht zu fahl. Aber das waren Gedanken, die ihm erst kamen, als er sich gesetzt hatte, denn beherrscht wurde dieser Raum von einer langen, niedrigen Tafel, die sich unter der Last von Speisen bog. Awin bekam große Augen. Er sah Hammelkeulen, Obst, Brot, ein ganzes gebratenes Zicklein, dazwischen Krüge, die nach Brotbier aussahen, und Becher mit vergorener Stutenmilch. Und an diesem Tisch saß Eri auf einer langen Bank und ließ es sich schmecken.
    »Ah, sind das deine Brüder, von denen du sprachst, Yaman Eri?«, fragte eine leise, sehr weiche Stimme. Sie schien vom Kopfende des Tisches zu kommen. Dort war eine Art Vorhang durch den Raum gespannt, hinter dem Awin den Umriss eines Menschen zu erkennen glaubte. War das die Stimme, die er schon ein paarmal so schwach in diesem verfluchten unterirdischen Irrgarten gehört hatte?
    »Das sind sie, Ehrwürdige«, rief Eri und sprang auf.
    »Ich grüße die Reiter der Schwarzen Berge«, flüsterte die Stimme. »Seid willkommen an meiner Tafel, Krieger des Staublandes!«
    Awin zuckte zusammen. Sie wusste viel über sie. Hatte Eri ihr das alles verraten? Er saß dort, zufrieden lächelnd, vor ihm auf dem Teller stapelten sich abgenagte Knochen.
    Curru nahm langsam die Hand von der Axt. »Ich grüße dich auch, Fremde, und danke für dein Willkommen. Darf ich dich nach deinem Namen fragen?«
    »Du musst Curru sein, der berühmte Seher, richtig?«, hauchte die weiche Stimme freundlich.

    »Der bin ich«, erwiderte Curru langsam.
    »Nehmt Platz und greift zu, ihr müsst hungrig sein«, flüsterte ihre Gastgeberin.
    Sie hatte Recht. Awin hatte das Gefühl, als habe er seit Wochen nichts gegessen. Aber die Fremde hatte ihren Namen nicht verraten. »Ich bin Awin, Ehrwürdige«, stellte er sich vor, »darf ich auch dich nach deinem Namen fragen, Herrin?«
    Einen kurzen Augenblick blieb es still hinter dem Vorhang. Dann flüsterte es: »Ich habe meinen Namen vor langer Zeit abgelegt, doch könnt ihr mich Dhane nennen.«
    Awin runzelte die Stirn. Das war ein Titel, kein Name. Dennoch suchte er sich einen Platz an der Tafel. Diese freundliche Stimme gehörte vermutlich einem Feind, aber er hatte Hunger. Er setzte sich neben Eri, denn er hatte das Gefühl, dass der Yamanssohn zu viel redete.
    »Ist das das Mädchen, das das Große Tor bewacht, Yaman Eri?«, flüsterte die Stimme jetzt. Awin verschlug es den Atem. Hatte der Knabe denn alles verraten?
    »Das Weib? Ja, sie ist …«, begann Eri, aber Awin stieß ihm hart den Ellenbogen in die Rippen. »Merege begleitet uns, ehrwürdige Dhane«, sagte er dann schnell.
    »Dieses Tor, Mädchen. Es ist weit weg, nicht wahr?«, fragte die Dhane.
    Merege setzte sich, ohne zu antworten.
    »Der Yaman Eri wusste nicht viel darüber, aber du musst mir davon erzählen«, hauchte die Stimme sanft.
    »Später vielleicht«, antwortete Merege vorsichtig.
    »Später«, echote die Stimme enttäuscht.
    Curru schnitt sich unterdessen ein Stück Fleisch von dem Zicklein und beäugte es misstrauisch.
    »Greift zu. Immer habt ihr Hunger, nicht wahr? Selten beehren mich Gäste in meinen Hallen«, hauchte es freundlich.

    Awin war sich auf einmal nicht mehr sicher, dass ihre Gastgeberin wirklich jenseits des Vorhangs saß. Die Stimme schien von allen Seiten zu kommen. Er hatte die Hand schon auf einen Krug Bier gelegt, aber jetzt hielt er inne. Sie bekam nicht oft Besuch? Wo hatte sie dann all diese Speisen her? Sie selbst aß offenbar nichts. Merege hatte gegenüber Awin Platz genommen, aber sie rührte nichts an. Awins Magen knurrte. Curru neben ihm kostete vorsichtig von seinem Braten. Dann breitete sich Entzücken auf seinem Gesicht aus, und er biss herzhaft zu.
    »Yaman Eri berichtete, dass ihr einen Räuber jagtet. Habt ihr ihn gefunden?«
    »Nein, Ehrwürdige«, antwortete Curru kauend, »er ist uns entwischt - für den Augenblick. Wir werden ihn noch bekommen.«
    »Ich hörte ein Wort«, flüsterte die Gastgeberin. »Lichtstein.«
    Curru hörte auf zu kauen und warf Eri einen bösen Blick zu. Der Knabe lief rot an.
    »Was ist damit?«, fragte der alte Seher jetzt
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