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Der Sohn des Donnergottes

Der Sohn des Donnergottes

Titel: Der Sohn des Donnergottes
Autoren: Arto Paasilinna
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krachender und zischender Pfeilblitz leuchtete auf und brannte dem Sicherheitspolizisten Löcher in die verschossenen Kleider. Durch den immensen Druck wurde die Tür des Behandlungszimmers aus den Angeln gehoben, die Gnome und Wichtelmännchen flitzten in den Flur hinaus, um sich in Sicherheit zu bringen, und der Inspektor lag in beinahe ebenso schlechter Verfassung auf dem Boden wie die Kommunisten in den dreißiger Jahren im Gefängnis von Alppo nach einer hitzigen Diskussion.
    Nach und nach kam Inspektor Huurulainen wieder zu sich. Er strich über sein verkohltes Haar – wo die Glatze anfing, waren Brandwunden zu spüren. Er begriff nicht, was passiert war. Er war nicht mehr er selbst.
    Rutja verhörte ihn mehr als eine halbe Stunde lang. Dann verabreichte er ihm einen belebenden Blitzschock, und die Behandlung war beendet. Inspektor Huurulainen wurde als neuer Mensch aus dem Behandlungsraum geführt. Er glaubte jetzt ungleich mehr an Ukko Obergott als an seinen Vorgesetzten Riipinen. Man gab ihm etwas zu essen und zu trinken, seine Kleider wurden ausgetauscht und seine Kopfhaut verpflastert. Dann wurde er in ein frischbezogenes Bett gesteckt. Am nächsten Morgen bat er um die Erlaubnis, nach Helsinki fahren und seinem Arbeitgeber von seiner Bekehrung berichten zu dürfen. Das wurde ihm gestattet, denn durch Huurulainens früheren Bericht war Ronkaila bei der Sicherheitspolizei ohnehin schon bekannt. Huurulainen schwor, sofort am nächsten Tag zur Sicherheitspolizei zurückzufahren und anschließend gleich wieder nach Ronkaila zu kommen. So geschah es auch, allerdings erst fünf Tage später. Diese fünf Tage verbrachte Huurulainen im Zellentrakt des Kriminalpolizeigebäudes in der Ratakatu. Riipinen hatte es nämlich gar nicht gefallen, daß sein alter und verläßlicher Inspektor zu ihm kam und ihm mitteilte, zum neualten Glauben bekehrt worden zu sein, und auch sonst konnte der Chef der Sicherheitspolizei Huurulainens Benehmen nicht gutheißen.
    »Ich hätte ja noch Verständnis, wenn du damit angeben würdest, kleine braune Faschisten oder behaarte Kommunisten gesehen zu haben, aber hör auf, mir etwas von Erdgeistern und Wichtelmännchen zu erzählen! Ich habe mit dieser Donnergott-Sekte auch ohne deine Erdgeister genug zu tun. Du kannst dich ab sofort als gekündigt ansehen. Du weißt, daß du bis an dein Lebensende an das Polizeigeheimnis gebunden ist. Damit du nicht vergißt, was das in der Praxis bedeutet, darfst du noch ein paar Tage in der Ratakatu verbringen.«
    Als Huurulainen abgeführt werden sollte, wurde Riipinen doch ein klein wenig sentimental. Er gab dem alten Arbeitskollegen die Hand und sagte zu ihm:
    »Wir hätten noch viele Jahre zusammen verbringen können. Tut mir leid, daß es nun so endet. Aber du wirst bestimmt verstehen, daß es unsere Aufgabe ist, Verrückte zu jagen und nicht selbst dazu zu werden.«
    »Du sollst nicht schlecht zu den Kleinen sein«, legte Inspektor Huurulainen seinem Vorgesetzten ans Herz, als er abgeführt wurde.

26
    Bis weit in den Herbst hinein schmollte Anelma in der Gesindestube vor sich hin, aber da niemand von ihr und Sirkka sonderlich Notiz nahm, wurde sie ihres Trotzes überdrüssig. Wenn im Gemütskurhaus Ronkaila andauernd so viele Patienten behandelt wurden, überlegte Anelma nun, könnte sie dann nicht daraus einen Nutzen ziehen, daß sie zu Hunderten im Haus herumwimmelten? Was hatten die wohl für Zähne?
    Anelma kaufte in Helsinki einen alten Zahnarztstuhl und stellte ihn in der Gesindestube auf. Sie besorgte sich einen weißen Kittel, wies Sirkka als Zahnarzthelferin ein und eröffnete eine Zahnarztpraxis.
    Rutja fand es absolut positiv, daß Anelma die Zähne der Geisteskranken kontrollierte und bei Bedarf plombierte und behandelte. Der Sohn des Donnergottes hatte nichts dagegen, wenn die Menschen, denen er die Vernunft zurückgab, von Anelma auch noch neue Zähne bekamen. Je verrückter ein Mensch ist, um so schlechtere Zähne hat er anscheinend. Anelma folgerte daraus, daß ein Mensch, der völlig aus dem Tritt geraten ist, nicht mehr in der Lage ist, seine Zähne zu putzen. Wenn einem das Leben hart zusetzt, beißt der Mensch die Zähne so fest zusammen, daß sie es nicht mehr aushalten, schon gar nicht, wenn das Knirschen von Jahr zu Jahr mit gleichbleibender Kraft weitergeht.
    Als sie die Zähne des ehemaligen Polizeiinspektors Huurulainen in Augenschein nahm, mußte Anelma feststellen, daß dessen Biß völlig schief war. Huurulainens
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