Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Sixtinische Himmel

Der Sixtinische Himmel

Titel: Der Sixtinische Himmel
Autoren: Leon Morell
Vom Netzwerk:
davon übrig sein.«
    Matteo und Aurelio warfen sich einen Blick zu. Ihre Mutter war noch störrischer als Trotula, die alte Ziege. Sie zum Mitkommen zu bewegen, wäre ein sinnloses Unterfangen.
    »Wenn du bleibst, bleibe ich auch«, sagte Aurelio.
    »Kommt nicht in Frage«, antwortete seine Mutter.
    »Dann bleiben wir alle«, drohte Matteo.
    »Also schön«, knurrte Antonia, »Aurelio kann bleiben. Du aber, Matteo, bringst deine Familie in Sicherheit. Darauf bestehe ich.«
    Der Abschied gab sich den Anschein, ein gewöhnlicher zu sein. Matteo fuhr mit seiner eigenen, kleinen Familie zu Giovannas Eltern. Bereits gegen Abend würden sie ihr Ziel erreicht haben. In drei oder vier Tagen wären sie zurück.
    Matteo klopfte seinem kleinen Bruder auf die Schultern. »Pass gut auf Mama auf«, sagte er.
    Aurelio blickte in die Senke hinab. Sie sahen wirklich nicht gefährlich aus. »Keine Sorge«, antwortete er.
    Als Matteo und Giovanna den kleinen Hügel hinauffuhren, der zum Apennin hin die Grenze des Lehens markierte, saß Giovanna an ihren Mann gelehnt und hielt den eingewickelten Luigi an sich gedrückt. Oben angekommen, drehte sie sich noch einmal um und winkte Antonia und Aurelio zu. Von Süden kommend strich ein erster, warmer Frühlingshauch über die Felder.
    * * *
    Antonia hatte sich getäuscht. Sie war alt, doch für ein Rudel gelangweilter Wölfe war sie nicht alt genug. Sie kamen näher, umkreisten das Haus, rochen das Fleisch. Keine zwei Stunden nachdem Matteo, Giovanna und Luigi sich auf den Weg gemacht hatten, schlug der Erste von ihnen mit der Faust gegen die Tür.
    Es waren sechs. Auf der Wange desjenigen, der als Erster das Haus betrat, prangte eine schlecht verheilte Narbe, die seinen linken Mundwinkel nach oben zog, wodurch er andauernd ein schiefes Lächeln zur Schau trug. Die Männer, die hinter ihm in den Wohnraum drängten, waren von ähnlichem Schlag: erfahrene Söldner, die nie etwas anderes gemacht hatten, als anderen gegen Geld die Schädel einzuschlagen. Der Geruch nach lehmiger Erde, altem Schweiß und kaltem Eisen breitete sich aus.
    Der Bart des einen war bereits ergraut, sein Kettenhemd gleich an mehreren Stellen ausgebessert worden. Die zwei, die als Letzte das Haus betraten, waren hingegen sehr jung, kaum älter als Aurelio und jünger als sein Bruder. Einer hatte ein glattes, kindlich-rundes Gesicht, dessen Blick verriet, dass er sehr viel lieber Viola da Gamba gespielt als das Schwert geführt hätte, das von seinem Gürtel baumelte. Für ihn war der Feldzug gegen Bologna sicher sein erster gewesen. Der andere war blond, trug einen gestutzten Bart und hatte wässrige, gleichgültige Augen, die Aurelio betrachteten, als sei er ein Insekt. Seine Schulterpanzer hingen an einem Lederriemen von seinem Hals herab.
    »Meine Männer brauchen frisches Wasser«, sagte der Narbige.
    Aurelio und seine Mutter wechselten einen Blick. Antonia nickte. Aurelio nahm die beiden Holzeimer und ging zur Tür, die von dem Blonden mit den leeren Augen verstellt wurde.
    Da er keine Anstalten machte, die Tür freizugeben, sagte Aurelio: »Frisches Wasser gibt es im Brunnen, und der ist hinter dem Haus.«
    Der Söldner trat ein Stück zur Seite.
    Bis Aurelio mit den gefüllten Eimern zurückkehrte, hatten es sich die Männer wie selbstverständlich am Tisch bequem gemacht. »Kein Wort«, mahnte Antonias Blick. Aurelio befüllte einen Krug und stellte ihn in die Mitte. Antonia hatte sich in die Nische zurückgezogen, die zum Schlafplatz führte, den Rücken gegen die Wand gelehnt. Die Furche zwischen den Brauen war auf ihre Stirn zurückgekehrt.
    »Wie steht’s mit Wein?«, fragte der Narbige.
    Sie aßen, was an Vorräten im Haus war. Ohne ein Widerwort stellte Antonia auf den Tisch, was sie an Essbarem finden konnte. Wann immer Aurelio einschreiten wollte, brachte ihr Blick ihn zum Schweigen. Gegen eine Meute, der ein Menschenleben nicht mehr bedeutete als ein warmer Platz zum Schlafen und ein voller Magen, begehrte man nicht auf. Nicht wegen etwas, das ersetzbar sein würde.
    »Auch die anderen werden Hunger haben«, warf der Dickste in die Runde, der die Stimme eines Kastraten hatte.
    Sein Kettenhemd, das beinahe bis auf die Knie herabreichte, spannte über dem Bauch und an den Oberschenkeln. Zwei Jahre in Bologna ohne einen Feldzug hatten ihn fett werden lassen.
    »Ein Stück Fleisch würde ihnen guttun«, meinte der Alte.
    Der Narbige strich sich über den zottigen Bart und blickte zu Antonia hinüber, die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher