Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Simulator

Der Simulator

Titel: Der Simulator
Autoren: Marco Lalli
Vom Netzwerk:
Gegengift, um sich nicht allzu abhängig zu fühlen. Er lief ja nicht mit geschlossenen Augen durch die Gegend, und wenn die eine oder andere sich für ihn interessierte, dann hatte er seinen Teil dazu beigetragen.
    Ich erzähle dir jetzt die Geschichte vom Bügeleisen.
    Da er als einer von wenigen mit dem Auto gekommen war, hatte er eine Menge Krempel dabei. Darunter war ein Reisebügeleisen. So ein zusammensteckbares leichtes Ding, das schlecht aufheizte. Jetzt musst du wissen, dass er nicht der Typ war, der etwas bügelte. Nicht zu Hause und schon gar nicht unterwegs. Er trug nur Jeans und T-Shirts, keine Anzüge oder Hemden. Wozu also ein Bügeleisen? Aus Perfektionismus? Er hatte auch einen Toaster dabei und eine tragbare Stereoanlage. Fakt ist, dass es kaum eine Frau gab, die nicht wenigstens einmal an seine Tür geklopft hätte, um sich dieses Ding auszuleihen. So hat er die ältere der Polinnen kennen gelernt. Sie war eine, die alles bügelte. Es hätte mich nicht gewundert, wenn sie ihre BHs gebügelt hätte.
    So war ich die lachende Dritte. Ich habe mir das damals alles angesehen, mehr belustigt als neugierig. Helena, die junge Polin, die sich ständig mit ihrem Freund stritt, die Offiziersfrau, die so erhaben tat. Ich war ganz anders, eher alternativ, lange Haare, weite Klamotten, ziemlich bunt.
    Meistens waren wir zu fünft unterwegs, mehr passten nicht ins Auto, und wir haben viele Ausflüge unternommen, nach Venedig, nach Verona, ans Meer. Der Uno war neu, er roch so wie alle neuen Autos riechen, nach Plastik und ein wenig Chemie. Er hatte einen geregelten Kat, etwas, das damals kein italienisches Auto besaß, und Fiat produzierte diese Motoren nur für den deutschen Markt. Ich erzähle das, weil wir ständig auf der Suche nach bleifreiem Benzin waren. In ganz Italien gab es nur eine Handvoll Tankstellen mit bleifreiem Benzin, und meistens waren sie ausverkauft. So führte er stets zwei riesige Kanister im Kofferraum mit. »Meine eiserne Reserve«, wie er gern sagte. Mehr als einmal habe ich ihm geholfen, deren Inhalt mit Hilfe eines winzigen Trichters in den Tank zu füllen. Das Benzin lief uns über die Hände, und wir stanken dann stundenlang danach. Auf solch einer Autobahnraststätte hat er mich zum ersten Mal geküsst. Es gibt romantischere Orte als italienische Autobahnraststätten, um geküsst zu werden. Aber da waren ja noch die beiden Polinnen, die im Auto saßen und uns dabei zuschauten. Das hat mich dafür entschädigt.
    Helena ist ein paar Tage später abgereist. Allein. Die Frau des Offiziers hat ihm heftige Vorwürfe gemacht. Er hat ihr geantwortet, er habe ihr nur ein Bügeleisen ausgeliehen. Im Westen verpflichte das zu nichts. Er konnte witzig sein. Aber das hat er wahrscheinlich nur für mich erfunden. Er hatte ein gutes Gespür für das, was man hören wollte.
    Was unser Liebesleben angeht, kann ich dir nicht viel erzählen. Wir hatten ja beide unsere Zimmergenossen. Ich teilte mir mit Julie, einer typisch englischen Schreckschraube, ein Zimmer, er mit einem dicklichen Jungen, der schnarchte. Auf die Idee, sie zusammen zu legen, kamen wir erst viel später. Ich weiß noch, dass ich Angst hatte, den anderen zu wecken. Das Bett war so eng! Und es wackelte, knarzte wie ein Boot im Sturm. Vielleicht haben wir deshalb in dieser ersten Nacht nicht miteinander geschlafen. Ich weiß noch, wie erstaunt ich war, ihn neben mir zu spüren, die Wärme seiner Haut, seine Hände, die mich streichelten. Das hat mir vollkommen gereicht. Für mich war er wie ein Geschenk, das ich mir bis in alle Ewigkeit hätte ansehen können, ohne es auszupacken.
    Er wollte mehr, glaube ich. Aber er hat nicht versucht, mich herumzukriegen, obwohl es ihm wahrscheinlich gelungen wäre. Natürlich haben wir dann bald miteinander geschlafen. Gleich am nächsten Nachmittag in der Mittagspause. Wir waren allein, und wir haben es so routiniert hinter uns gebracht wie ein Ehepaar. Schön geworden ist es erst an der Küste. Da hatten wir vier Tage. Vier Tage und vier Nächte. Seltsam, wie lang vier Tage sein können.
    Weißt du, wir saßen abends im Garten der Pension, haben gegessen und getrunken, und weil es Spätsommer war, wurde es früh dunkel. Es wäre höchst romantisch gewesen, wenn nicht der Schnellzug nach Genua zehn Meter hinter uns vorbei gedonnert wäre. Unzählige Wagen mit hell erleuchteten Fenstern, die zu einem endlosen Band aus Licht verschmolzen. Und Gesichter, die uns beobachteten, die einen Blick auf
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher