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Der Simulator

Der Simulator

Titel: Der Simulator
Autoren: Marco Lalli
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unser Glück erhaschen wollten. Alles Quatsch, natürlich. Aber das stellte ich mir vor. Und ich stellte mir vor, wie ich selbst in diesem Zug sitzen würde, zwanzig Jahre später oder fünfzig, und mich an mich erinnern würde, an uns. Dann säßen wir immer noch in diesem Garten, im Halbdunkel des Abends, uns an den Händen haltend. Wenn ich nicht solche Angst davor hätte, würde ich diesen Zug irgendwann nehmen.

Niemand schlafe
    Martin Dorint, erfolgreicher Arzt und Wissenschaftler, Liebling von Politik und Gesellschaft, erwacht eines Tages ohne Gedächtnis. Das einzige, an das er sich erinnert, sind die Pistolenschüsse, die ihn niedergestreckt haben. Doch was ist passiert? Wer hat versucht, ihn umzubringen? Und wo befindet sich dieses unheimliche weiße Zimmer, in dem er aufgewacht ist? In einem Krankenhaus, einem Gefängnis, einer Irrenanstalt? Oder ist er gar tot? Hat der unbekannte Schütze schließlich sein Ziel erreicht, hat er ihn doch ermordet?
    Martin Dorint macht sie auf die Suche nach sich selbst, eine Suche, die auch die Suche nach seinem Mörder ist. Doch die Wahrheit, die nach und nach ans Tageslicht kommt, könnte entsetzlicher nicht sein: eine unbekannte, dunkle Seite seiner selbst, die er nicht anzuerkennen vermag. Aber ist das tatsächlich die Wahrheit? Ein spannendes Vexierspiel beginnt, in dem die Grenzen zwischen Vorstellung, Traum und Alptraum verschwimmen, die Wirklichkeit am Ende sich gänzlich aufzulösen droht.
    Nach den Erfolgen der ‘Himmelsleiter’ und von ‘Die Nacht wird deinen Namen tragen’ hier Marco Lallis neuester Roman. Ein Psychothriller, eine Parabel auf die Psychotherapie, ein etwas anderer Arztroman, und doch nur die Geschichte eines verzweifelten Mannes, der sich selbst finden muss, sich selbst und seinen Mörder.

Leseprobe

Kapitel 2
    »Liebling, hast du irgendwo meine Manschettenknöpfe gesehen?«
    »Welche, mein Schatz?«
    »Welche wohl! Die, die du mir heute Morgen herausgelegt hast natürlich!«
    »Hast du schon auf dem Nachttisch nachgesehen?«
    Er hatte auf dem Nachttisch nachgesehen. Und nicht nur dort. Er hatte auch die Schublade durchsucht, hatte jeden Quadratzentimeter des dicken Teppichs abgetastet, hatte sogar im Bett, in der Ritze zwischen den beiden Matratzen und im Bettkasten nachgeschaut, dort, wo das Betttuch eingeschlagen wurde und zwischen Latex und Rost verschwand. Trotzdem kniete er sich noch einmal hin, vorsichtig, um die Bügelfalten seiner Hose nicht in Mitleidenschaft zu ziehen, und spähte unter das Bett. Aber dort saß nur die Katze. Ihre gelben Augen stachen durch das Dunkle wie zwei beleuchtete Fenster. Sie fauchte, als seine tastende Hand ihr zu nahe kam, miaute anklagend und raste hinaus.
    Er setzte sich auf dem Boden, und die Kamera fuhr zurück und zeigte einen nachdenklichen, fast ratlosen Mann, der im spärlich möblierten Schlafzimmer ein wenig verloren wirkte. Aber natürlich war es keine Kamera, und natürlich war es nicht irgendein Mann. Das war ER, das ist er, daran besteht kein Zweifel. Auch wenn er zwischenzeitlich das Gedächtnis verloren hat, sein Gefühl scheint sich völlig sicher zu sein: Dieser Mann im dunkelblauen Anzug, dieser hagere und, wie er findet, durchaus gutaussehende Mann, dessen Schläfen sich grau zu färben beginnen, dieser Mann auf dem Schlafzimmerteppich ist er selbst. Und was er sieht, gefällt ihm, es erleichtert ihn, warum auch immer.
    Ich weiß nicht, wie lange ich so dasaß und in mich hineinhorchte. Vielleicht überlegte ich tatsächlich, wo die Manschettenknöpfe geblieben waren und ging noch einmal im Geiste die Stellen durch, wo sie hätten gelandet sein können. Als ihre Stimme, die Stimme meiner Frau, in meine Gedanken eindrang, schreckte ich auf. Ich sah mich um, sah an mir herunter, als sei ich gerade aus einer tiefen Trance erwacht. Plötzlich meinte ich, die gleiche lächerlich sinnlose Situation schon einmal erlebt zu haben, einmal erlebt zu haben oder hundertmal. Immer wieder würde ich diese verdammten Knöpfe suchen, würde auf dem Boden des Schlafzimmers sitzen, würde die graue Katze hinausschießen sehen oder ihre Orange leuchtenden Augen unter dem Bett.
    Wie eine Schallplatte, die immer wieder abgespielt werden würde, glaubte ich, das Geschehen in jeder seiner Verästelungen zu kennen. Und doch, so unmöglich vertraut mir alles erschien, ein Gefühl der Fremdheit mischte sich darunter. Hatte ich diese Situation tatsächlich selbst erlebt? War es nicht nur ein Film, ein
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