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Der Simulator

Der Simulator

Titel: Der Simulator
Autoren: Marco Lalli
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das ist ja dasselbe. Wissen Sie, wie das Institut angefangen hat?« Er zeigte auf seine Füße. »Dort unten haben wir angefangen. In einem zweistöckigen Haus mit fünf Mitarbeitern. Wissen Sie, was der Unterschied ist zwischen damals und heute? Eine Idee? Nein! 100 Meter Glas und Stahlbeton. Und 100 Millionen Neue Euro wohlgemerkt.«
    Kowalski stand noch immer neben mir. Er war klein, vielleicht ein Meter und sechzig. Stehend war er mit mir auf Augenhöhe, und das war vielleicht der Grund, warum er nicht Platz genommen hatte. Er stand in seinem zerknitterten rostbraunen Anzug, die Hände in den Taschen und ließ seinen Blick über die Gäste schweifen, die noch immer der Darbietung der Tänzerin folgten. Ein siebzigjähriges Männchen, das lächelte.
    »Wir haben es noch nicht geschafft, Lapierre. Der Simulator ist fertig, aber es steht in den Sternen, ob wir jemals Geld mit ihm verdienen. Wir haben Millionen in die Rechner investiert, ein Kraftwerk so groß, dass man ganz Ziegelhausen mit Strom versorgen könnte…« Seine Hand vollführte eine weite Bewegung. »Aber das alles ist nichts wert, wenn man die Politik nicht überzeugt.« Er zeigte auf seine Gäste, als wollte er jeden Einzelnen davon antippen. »Das sind die Leute, auf die es ankommt. Wir müssen die öffentliche Meinung für uns einnehmen. Wir stehen ganz kurz davor. Und deshalb mache ich das alles.« Er lachte wieder sein trockenes Lachen. »Natürlich geht es nicht um Sie. Das haben Sie längst erkannt. Aber es ist Ihre Show , und ich möchte, dass Sie mitspielen.«
    »Blinzle ist erst eine Woche tot. Ich war fünf Jahre sein Assistent. Ich kann heute nicht feiern, dass ich seine Stelle habe.«
    Kowalski nickte stumm. »Das ehrt Sie, das ehrt Sie.« Er nahm meinen Arm und drückte ihn, drückte ihn so fest, dass es schmerzte. »Blinzle war fertig«, sagte er leise und eindringlich. »Er wäre so oder so als Technischer Direktor abgelöst worden. Verstehen Sie? Sie wären sowieso sein Nachfolger geworden.«
    »Blinzle wäre niemals freiwillig zurückgetreten.«
    »Oh, doch. Er hat das nicht verkraftet. Er war psychisch am Ende.«
    »Blinzle hat mir erzählt, dass er mit allen Mitteln verhindern wollte, dass der Simulator für politische Vorhersagen verwendet wird.«
    »Das ist Quatsch, Lapierre. Das Milieu-Modell war schon immer politisch, gleichgültig, ob man das so nennt oder nicht. Aber wir wollen keine Politik machen. Wir machen Marktforschung, Lapierre. Marktforschung ! Wir wollen wissen, ob die Leute rote oder blaue Jogurtbecher möchten. Sonst nichts. Und wir wollen diese Schnüffler vom Hals haben, diese unzähligen Interviewer, die uns Tag und Nacht das Leben zur Hölle machen. Das ist doch ein schönes Ziel, oder?«
    In diesem Punkt musste ich ihm Recht geben. Seit dem 2. Demoskopiegesetz war die Belästigung durch die Interviewer, die Schnüffler, wie sie volkstümlich genannt wurden, unerträglich geworden.
    »Ich schätze Sie sehr, Lapierre. Sie können es bei der Sinex AG noch weit bringen.«
    »Der Simulator ist das einzige, was mich interessiert.«
    »Das ist gut, Lapierre, das ist gut. Dann machen Sie Ihre Arbeit. Und mischen Sie sich nicht in die meine ein.« Er ließ meinen Arm los und wandte sich zum Gehen. »Und amüsieren Sie sich! Ich möchte, dass Sie fröhlich aussehen.«
    Die Tänzerin war fertig, und der Moderator hatte eine Pause angekündigt. Die Gäste strömten zur Bar.
    Kerstin Klier kam direkt auf mich zu. Breit lächelnd und mit ausgestreckten Armen, so dass es mich nicht gewundert hätte, wenn sie mich zur Begrüßung geküsst hätte. »Das war wunderbar. Haben Sie das gesehen? Ich wünschte, ich könnte meinen Körper genauso bewegen wie sie. Das muss ein phantastisches Gefühl sein.«
    Kerstin war eine schöne Frau: groß, blond, mit einer atemberaubenden Figur. Sie war eine der besten von Kowalskis Studienleitern. Ich hatte Sie schon manches Mal aus der Ferne bewundert, ohne die Gelegenheit zu haben, mehr als wenige Worte mit ihr zu wechseln.
    »Es sieht so aus, als sei ich heute Abend sehr begehrt.« Ich stand auf, um ihr die Hand zu geben.
    »Was ja auch kein Wunder ist, nachdem Sie die Hauptperson sind.« Sie nickte dem Boy zu, und dieser stellte ihr ein Glas mit einer orangefarbenen Flüssigkeit hin.
    »Tatsächlich?«
    »Ich möchte ehrlich zu Ihnen sein. Kowalski hat mich gebeten, mich um Sie zu kümmern. Aber das mache ich gerne, weil ich Sie mag.«
    »Alle scheinen mich zu mögen.«
    Sie lachte.
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