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Der Simulator

Der Simulator

Titel: Der Simulator
Autoren: Marco Lalli
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einige neue Cocktailrezepte aus der Getränkedatenbank der Stanford University abrufen und gleich ausprobieren.
    Nach einer Weile gingen wir zu mir. Zum ersten und zum letzten Mal. Ich hatte ein kleines Zimmer in der Brunnengasse, nicht einmal 50 Meter vom Institut entfernt. Ich schlief selten dort, denn meistens wohnte ich bei meinem Freund in Schriesheim. Was ich an diesem Tag tat, war ganz gegen meine Prinzipien. Aber vieles, was ich mit ihm tat, war gegen meine Prinzipien.
    So habe ich gleich bei unserem ersten Rendezvous mit ihm geschlafen. Und ich habe mehr als einmal mit ihm geschlafen. Und ich habe in meinem eigenen Bett mit ihm geschlafen. Alles Dinge, die ich sonst nie tue.
    Weißt du, ich hatte mit meinem Freund eine Vereinbarung. So eine typische 70er-Jahre-Vereinbarung, auch wenn die eine Weile vorbei waren. Jeder durfte mit anderen schlafen, du weißt schon, Monogamie ist unmenschlich, diese ganze Leier. Man durfte sich nur nicht verlieben. Und deshalb gab es diese eine Regel: eine Nacht, mehr nicht. Na ja, Nacht – ein Mal eben. Und das haben wir so gehalten, jahrelang. Mit dieser einen Ausnahme. Ich glaube, wir kamen uns wie die großen Eroberer vor, mein Freund und ich. Stell dir vor, ich hatte einen Schal mit Playboy-Häschen drauf. Peinlich, nicht?
    Dieses eine Mal bei mir war besonders schön. Vielleicht, weil es so unglaublich heiß war, vielleicht, weil er mich nicht ausgezogen, sondern aufs Bett geworfen und genommen hat, schnell und heftig, vielleicht auch, weil es mein Zimmer war, etwas mehr von mir im Spiel war als sonst.
    Danach habe ich ihm meinen Slip geschenkt. Zur Erinnerung, habe ich ihm gesagt. Auf das Semesterfest bin ich dann ohne gegangen. Lauter verrückte Dinge, die ich sonst nie tue.
    So streifte ich später durch die verdunkelten Räume und spürte diese seltsame Kühle zwischen den Beinen. Bist du schon einmal ohne Slip ausgegangen? Es ist ein wenig wie Barfußlaufen. Du fühlst dich frei, frei und verletzlich, aber vor allem frei. Deshalb bin ich an diesem Abend viel gelaufen, glaube ich. Immer auf der Suche nach einem Luftzug, der mit den Rock heben könnte, der hinauf blasen könnte, um die Feuchtigkeit zu trocknen, die tropfenweise aus mir herauslief. Diese kühle Stelle mitten im mir, diese Kühle inmitten dieser unglaublichen Hitze. Es war, als spürte ich mein Herz zwischen den Beinen pochen.
    Er war natürlich auch da, aber wir sprachen nicht miteinander, blieben kein einziges Mal beieinander stehen. Wenn wir uns auf unseren Wegen trafen, warfen wir uns einen langen Blick zu, und im dichtesten Gedränge berührten sich unsere Hände.
    Er schien sehr um Olivia bemüht, war ihr stets auf den Fersen, unterhielt sich lebhaft mit ihr, tat so weltmännisch, wie er es nur mit Frauen tun konnte. Aber ich war nicht eifersüchtig. An diesem Tag hatte ich alles von ihm, und niemand auf der Welt hätte es mir wegnehmen können. Und das Beste war, es war unser Geheimnis.
    Doch Liv wuchs, wurde größer und größer. Ich weiß nicht, wie sie es geschafft hat. Vielleicht durch ihre zur Schau getragene Gleichgültigkeit, ihre Unnahbarkeit. Ich glaube, das hat seinen Ehrgeiz angestachelt. Aber ich wollte nicht warten, bis er mich verließ.
    Das letzte Mal haben wir nicht einmal miteinander geschlafen. Ich hatte meine Tage. In dieser Hinsicht bin ich altmodisch. Wenn ich meine Tage habe, lasse ich mir nicht einmal die Hose ausziehen. Ich befriedigte ihn deshalb mit dem Mund, und als er gekommen war und sich schwer atmend auf den Rücken fallen ließ, sagte ich es ihm.
    Ich glaube, er verstand es zunächst gar nicht. Und ich konnte ihm nicht sagen, dass ich Angst hatte, er würde mit mir wegen Liv Schluss machen, und ich konnte ihm erst recht nicht sagen, dass ich Angst hatte, ich würde mich in ihn verlieben, hätte es bereits getan.
    Irgendwann fragte er mich nach dem Grund. Ich sagte, es würde mir keinen Spaß mehr machen, mit ihm zu schlafen. Er stützte sich auf, um mich anzusehen. Mir war nach weinen zumute, aber ich setzte mein harmlosestes Lächeln auf. Ich kann sehr tapfer sein. Dann zog ich meinen BH an, meine Bluse. Er blieb liegen, starrte an die Decke. Ich küsste ihn zum Abschied auf die Stirn. Noch zu Hause schmeckte ich ihn. Ich habe ihn nie wieder gesehen.
     
    Nicole
    Ich wundere mich, dass du mich gefunden hast. Ich lebe seit 25 Jahren in London, bin mehr Britin als Deutsche. Und aus der Übung, was das Deutsche angeht, obwohl ich die Sprache mag. Zum Abschied habe
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