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Der Seelenbrecher

Der Seelenbrecher

Titel: Der Seelenbrecher
Autoren: Sebastian Fitzek
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stark angeknabberten Plastikbügeln auf den Nachttisch. »Selbst ohne das Gestell dürfte ich kaum in sein Beuteschema fallen, oder? Sie haben es doch gehört: Seine Opfer sind alle zwischen zwanzig und vierzig Jahre alt, schlank, blond und ledig. All das, was ich vielleicht vor fünfzig Jahren einmal von mir behaupten konnte.« Sie lachte.
»Aber keine Sorge, mein Lieber. Ich lasse heute beim Einschlafen einen kuscheligen Tierfilm laufen. Die zeigen ›Das Schweigen der Lämmer‹ …«
»Das ist kein …«, setzte Caspar zu einer Erklärung an, doch dann sah er in ihren Augen, dass sie ihn zum Narren hielt.
»Touché«, sagte er und musste trotz seines verwirrten Gemütszustands lächeln.
»Damit steht es eins zu eins.«
Er griff nach der Türklinke.
»Gleichstand? Wieso das?«, rief Greta ihm verblüfft hinterher.
»Nun, Sie haben mich reingelegt. Aber dafür habe ich Ihr Rätsel geknackt.«
»Lügner, haben Sie gar nicht.«
»Doch, der Chirurg ist eine Frau«, sagte Caspar lächelnd. »Der Chirurg im Krankenhaus ist die Mutter des Jungen. Deshalb will sie ihren Sohn nicht operieren.«
»Das gibt’s nicht.« Greta kicherte und klatschte wieder wie ein Schulmädchen in die Hände. »Woher wissen Sie das?«
Keine Ahnung, dachte Caspar und verabschiedete sich mit einem unsicheren Lachen.
Ich habe wirklich überhaupt keine Ahnung.
Sein Lächeln erstarb bereits in dem Moment, als er die Tür hinter sich zugezogen hatte und den Flur betrat. Kurz überlegte er, ob er es noch rechtzeitig zurück zu Greta schaffen würde, bevor sie ihn hier draußen entdeckten. Doch dann hörte er seinen Namen fallen und entschied sich, den beiden Ärzten unauffällig zu folgen, die gerade mit wütenden Blicken aus seinem Zimmer gekommen waren.
     

18.07 Uhr
    Raßfeld und Sophia waren so sehr in ihr Streitgespräch vertieft, dass sie ihn nicht bemerkten, obwohl er nur wenige Meter hinter ihnen stand. Noch hatte Caspar große Mühe, sie zu verstehen.
»… ich finde, das ist viel zu früh«, zischte Raßfeld mit rauchiger Stimme. »Es könnte Caspar zu sehr erschüttern.«
Der Klinikleiter war stehengeblieben und nestelte an seinem Wollschal, der ihm um den Hals schlackerte. Wie immer war die Erscheinung des Chefarztes ein einziger Widerspruch. Selbst im Hochsommer trug er einen dicken Schal aus Angst vor Erkältungen, was ihn jedoch nicht davon abhielt, im Winter barfuß in Ledersandalen vor die Tür zu treten. Der Professor achtete auf manikürte Fingernägel und einen perfekt sitzenden Scheitel, ignorierte dafür aber seine restliche Gesichtsbehaarung. Der Vollbart zeigte ähnliche Wildwuchstendenzen wie die Härchen, die ihm aus Nase und Ohren sprossen. Und obwohl er sich über psychisch bedingte Fettleibigkeit habilitiert hatte, stapelten sich in seinem Büro leere FastFood-Schachteln zwischen den Bücher-und Aktenbergen. Er kam zwar noch lange nicht an die Leibesfülle von Bachmann heran, aber trotzdem reichte sein Bauchumfang aus, um Sophia neben ihm wie eine magersüchtige Patientin erscheinen zu lassen.
»Sie dürfen es ihm nicht zeigen!«, befahl er. Mit diesen Worten zog er die Psychiaterin den Gang hinunter, fort von dem Patientenzimmer, aus dem sie eben herausgekommen waren.
»Auf gar keinen Fall. Ist das klar? Ich verbiete es Ihnen.« Caspar folgte ihnen vorsichtig.
»Ich sehe das anders«, flüsterte Sophia etwas weniger energisch. Sie hob ihre Hand, in der sie eine dünne Patientenakte hielt.
»Er hat ein Recht darauf, es zu sehen …«
Der Chefarzt blieb abrupt stehen und wirkte für einen Moment so, als wolle er sich umdrehen. Caspar kniete sich rasch nieder und löste seine Schnürsenkel. Doch dann öffnete Raßfeld die Tür zur Kaffeeküche und zog Sophia mit in das kleine Nischenzimmer hinein, die Tür blieb einen Spalt offen. Von seiner knienden Position im Gang aus konnte Caspar durch den Türschlitz spähen. Raßfeld stand außerhalb seines Blickfelds.
»Also schön, es tut mir leid, Sophia«, hörte er den Professor sagen. »Ich habe mich im Ton vergriffen und überreagiert. Aber wir wissen wirklich nicht, welche Schäden diese Informationen bei ihm auslösen können.« »Oder welche Erinnerungen.« Sophia stützte sich mit ihrer flachen Hand auf die Arbeitsplatte neben der Spüle. Wie immer war sie ungeschminkt und wirkte dadurch weniger wie eine leitende Ärztin, sondern mehr wie eine Medizinstudentin im dritten Semester. Caspar wunderte sich, weshalb er sich so zu ihr hingezogen fühlte, dass er ihr jetzt
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