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Der seekranke Walfisch. Oder: Ein Israeli auf Reisen.

Der seekranke Walfisch. Oder: Ein Israeli auf Reisen.

Titel: Der seekranke Walfisch. Oder: Ein Israeli auf Reisen.
Autoren: Ephraim Kishon
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in hysterisches Schluchzen aus und telefonierte um den Arzt. Ich erklärte ihm, daß diese letzten Tage zuviel für mich waren. Meine Nerven ertrügen die Anspannung nicht mehr.
    »Sie sind ein typischer Vertreter dieser neuen Generation von Neurotikern«, belehrte mich der gewiegte Mediziner. »Sie sind nervös und verkrampft. Deshalb können Sie sich nicht entspannen. Aber ich vertraue Ihnen eine psychologische Entdeckung an, die wir Amerikaner vor einiger Zeit gemacht haben: Es hilft nichts, sich vor Nervosität zu verzehren! Hören Sie auf damit und beginnen Sie zu leben! Vergessen Sie Ihre Sorgen! Vergessen Sie, daß Sie sich nicht entspannen können - und Sie werden sofort entspannt sein! Ruhen Sie sich aus! Fühlen Sie sich frei! Lachen Sie! Seien Sie glücklich! Entspannen Sie sich!«
    Er schluckte hastig zwei Beruhigungspillen und verschwand.
    Ich beherzigte seine Worte, nahm mich zusammen und sprach zu mir selbst:
    »Was bist du doch für ein Jammergeschöpf, daß du dich nicht entspannen kannst! Es ist eine Schande. Entspann dich endlich, du Idiot, entspann dich...«
    Am Abend wurde ich ins Spital gebracht. Der Professor, der mich untersuchte, hatte sofort heraus, daß ich nervös und verkrampft war. Und er wußte Rat:
    »Sie müssen sich entspannen«, sagte er. »Vergessen Sie Ihre Sorgen. Seien Sie ruhig, fühlen Sie sich frei und glücklich, entspannen Sie sich! Sobald Sie sich unbelastet und glücklich fühlen, werden Sie automatisch aufhören, sich belastet und unglücklich zu fühlen. Wir haben unsere Erfahrungen. Wir wissen Bescheid. >Entspannung< heißt das Motto...«
    Leider war ich um diese Zeit schon im Besitz einer schweren, doppelseitigen Allergie gegen das Wort »Entspannung«. Wenn ich es nur hörte, geriet mein ganzer Körper in wilde Zuckungen, und ich spürte einen unwiderstehlichen Zwang, laut zu krähen. Der Professor deutete das als Zeichen mangelnder Kooperations-Bereitschaft, brach die Behandlung angewidert ab, erlitt einen Nervenzusammenbruch und versuchte mich zu erwürgen, wurde aber von zwei rasch herbeieilenden Wärtern, die ihm gewaltsam eine Morphiumspritze verabreichten, im letzten Augenblick daran gehindert.
    Ich selbst nahm um Mitternacht, als ich endlich allein war, eine Überdosis von Schlaftabletten, die sofort ihre Wirkung tat. Vor meinen Augen wurde es schwarz...
    Ich erwachte. Rings um mich war zackiges Gestein, aus dem rote Flammen emporzüngelten. Eine Gestalt mit Hörnern und einer riesigen Gabel trat auf mich zu.
    »Entschuldigen Sie«, sagte ich. »Wo bin ich?«
    »In der Hölle«, sagte Mephistopheles. »Entspannen Sie sich!«
    Aus irgendwelchen Gründen sind Heimreisen immer langweilig. Wir verabschiedeten uns herzlich von unseren Verwandten, schüttelten der Freiheitsstatue die freie linke Hand, bestellten zwei gute Plätze in der Nähe des Piloten, zahlten das Übergewicht für unsere zehn Koffer und landeten kurz darauf in Genua.
    Hier holten wir nach, was wir damals bei unserem ersten Besuch versäumt hatten: Wir verbrachten den ganzen Tag im Hafen. Alles lief planmäßig ab, am Abend lagen wir zu rechten Zeit in den Betten unseres nur wenige hundert Schritte von der SS »Jerusalem« entfernten Hotels - als die beste Ehefrau von allen sich plötzlich im Bett aufsetzte und mir ein aschfahles Gesicht zuwandte:
    »Um Himmels willen! Wir haben die Geschenke vergessen!«
    »Na, na, na«, murmelte ich verschlafen. »So schlimm wird's nicht sein. Entspann dich...«
    »Sprich keinen Unsinn, Mann!« Jetzt rannte sie bereits im Zimmer hin und her und blieb nur gelegentlich stehen, um die Hände zu ringen. »Wer von einer so langen Reise zurückkommt wie wir, muß jedem einzelnen Verwandten, Bekannten und Freund etwas mitbringen. Das erwartet man, und das gehört sich so.«
    »Merkwürdig«, erwiderte ich. »Alle meine Freunde und Bekannten fahren ununterbrochen in der Welt umher — und mir hat noch niemand etwas mitgebracht.«
    »Das stimmt nicht. Hast du nicht von Tante Ilka diesen hübschen grünen Pullover aus Dänemark bekommen, mit dem du immer den Wagen wäschst? Und außerdem: Wenn andere Leute keine Manieren haben, so heißt das noch nicht, daß war keine haben müssen.«
    »Warum eigentlich? Warum heißt es das nicht?« Die beste Ehefrau von allen saß unterdessen am Bettrand und stellte eine Liste aller Personen zusammen, die Anspruch auf etwas Mitgebrachtes hatten:
    Felix Seelig, Tante Ilka, die Eule Lipschitz, der Finanzminister, Jossele, der Milchmann,
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