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Der seekranke Walfisch. Oder: Ein Israeli auf Reisen.

Der seekranke Walfisch. Oder: Ein Israeli auf Reisen.

Titel: Der seekranke Walfisch. Oder: Ein Israeli auf Reisen.
Autoren: Ephraim Kishon
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Schmetterlinge.« Der Fahrer empfahl uns, Distanz zu halten, damit die Schmetterlinge nicht über uns herfielen. Wir schlugen seine feige Warnung in den Wind. Das heißt, wir hätten sie in den Wind geschlagen, wenn es einen Wind gegeben hätte. Es gab aber keinen Wind. Es war drückend heiß und vollkommen windstill. Nun, das focht uns nicht an. Wir begannen den Aufstieg.
    An einer Biegung des engen Wegs erwartete uns ein Mann mit einer imposanten Armbinde, der sich als offizieller, von der Regierung entsandter Führer vorstellte. Wir verhielten uns ablehnend, aber er bestand darauf, uns zu führen - auch als wir ihm erklärten, daß wir nichts zahlen würden.
    »Zahlen?« fragte er erstaunt. »Wer spricht von zahlen.« Da wir rein menschlich gegen den Mann nichts einzuwenden hatten, ließen wir ihn mitgehen. Er setzte sich sofort an die Spitze und begann - offenbar selbst aufs tiefste beeindruckt - die Schönheiten der Gegend zu lobpreisen: »Zur rechten Hand - ja, dort, folgen Sie meiner Armbewegung - dort sehen Sie einen Wald. Links schäumt ein Bach dahin. Entlang dieses Baches führt der Weg, den wir jetzt gehen. Darüber das berühmte Blau des berühmten Himmels von Rhodos... « Nachdem wir eine halbe Stunde gestiegen und von unserem Führer auf alle verborgenen Wunder der Natur hingewiesen worden waren, raffte sich ein weibliches Mitglied unserer Gruppe zu einer Frage auf:
    »Wann bekommen wir endlich die Schmetterlinge zu sehen?«
    Zufällig standen wir gerade vor einem Wegweiser mit der Aufschrift »800 m zum Tal der Millionen Schmetterlinge«. Unsere Blicke richteten sich scharf auf den Führer. Er meinte, daß wir uns keine Sorgen machen sollten - wahrscheinlich hätten sich die Schmetterlinge ins Innere des Tals zurückgezogen.
    »Aber wenn Sie müde sind, können wir umkehren«, fügte er hinzu.
    »Umkehren?« klang es ihm höhnisch entgegen. »Umkehren und keine Schmetterlinge sehen? Los, gehen wir!«
    Die Steigung wurde immer stärker, die Hitze immer drük- kender. Verbissen kletterten wir weiter und bemühten uns, keine Nervosität zu zeigen.
    Der Schreiber dieser Zeilen hat in seinem ereignisreichen Leben mehrere Wälder gesehen und in jedem von ihnen mehrere Schmetterlinge; wenn auch nicht Millionen von ihnen, so doch mehr als einen. Und gerade hier, gerade in diesem weit hingestreckten Wald, sollte es keinen einzigen Schmetterling geben?
    Sogar dem Führer schien das allmählich aufzufallen. Er trat in immer kürzeren Intervallen an die zunächststehenden Bäume heran, schüttelte sie und ließ dazu den Begattungsruf der Schmetterlingsweibchen hören, wie ihn die Eingeborenen auf Rhodos von den byzantinischen Besatzungstruppen gelernt hatten. Aber er fand keine Abnehmer.
    »Wollen wir nicht doch umkehren?« fragte er schließlich mit drängender Stimme und einem Ausdruck von animalischer Furcht in den Augen.
    Wir ließen ihn nicht im Zweifel, daß wir keinen Schritt zurück tun würden, ohne die von der Regierung bindend zugesagten Schmetterlinge gesehen zu haben.
    Wortlos erkletterte der Mann einen spitz emporragenden Felsblock und ließ seinen Arm bis zur Schulter in einer oben befindlichen Spalte verschwinden. Nach einer Weile vergeblichen Wühlens zog er ihn wieder hervor.
    »Was ist denn heute los«, brummte er mißmutig. »Hier hat's doch immer einen gegeben... mit weißen Streifen... Morris!« brüllte er in die Spalte. »Morris!«
    Nichts geschah. Reglos, stumm und vorwurfsvoll umstanden wir den Führer. Wir waren etwa zehn Kilometer von unsrem Taxi entfernt. Die Atmosphäre ließ deutlich Zeichen von Spannung erkennen.
    Sie lockerte sich jäh, als eine Gruppe von Ausländern, halb tot vor Erschöpfung, den schmalen Pfad heruntergewankt kam. Einige von ihnen brachten ein aufmunterndes Keuchen hervor:
    »Es ist jede Mühe wert. Es ist einfach phantastisch. Man muß es gesehen haben.«
    Damit wankten sie weiter.
    Der Führer warnte uns, daß wir noch gut die Hälfte des strapaziösen Wegs vor uns hätten. Wir ließen uns nicht abschrek- ken und klommen aufwärts.
    Schweißgebadet erreichten wir den Gipfel. Und da, gleißend im Sonnenlicht, lag das Tal der Verheißung! Satte, grüne Triften, von farbenprächtigen Blumen durchwirkt, rauschende Baumwipfel, ein linder, kühler Wind, alles, alles...
    »Wo sind die Schmetterlinge?!« brüllten wir ohne jede Verabredung im Chor.
    Unvermittelt warf der Führer die Arme hoch und setzte in weiten Sprüngen zur Flucht an. Glücklicherweise befand sich
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