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Der seekranke Walfisch. Oder: Ein Israeli auf Reisen.

Der seekranke Walfisch. Oder: Ein Israeli auf Reisen.

Titel: Der seekranke Walfisch. Oder: Ein Israeli auf Reisen.
Autoren: Ephraim Kishon
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über die Reling und winkte einen der Bootsmänner herbei, einen stämmigen alten Seebären mit blitzenden Augen. Eingedenk der Ermahnung, die mir die Eule Lipschitz mitgegeben hatte, erkundigte ich mich im voraus nach dem Fahrpreis:
    »How much? Wieviel? Combien?«
    »Cinquecento!« rief der Alte zurück.
    »Hahaha!« Ich stieß ein selbstbewußtes Lachen aus und ließ mich durch meine mangelnden Italienischkenntnisse nicht einschüchtern: »Sechstausend Lire und keinen Peso mehr!«
    »Gut.« Mit überraschender Schnelligkeit gab der Alte nach. Wir torkelten den Laufsteig hinunter und sicherten uns einen Platz in der Nähe des Lenkrades.
    Der Seebär wartete geduldig, bis sein Kahn überfüllt war und zu kentern drohte. Dann warf er den Motor an. Dröhnend und prustend begann der Weg über die dreihundert Meter, die uns vom Ufer trennten. Zufällig betrug auch die Stundengeschwindigkeit des Motorboots dreihundert Meter. Das benützte der Alte, um uns mit der Geschichte der Insel Rhodos vertraut zu machen, wobei er sich gleichzeitig dreier Sprache bediente. In einsprachiger Notübersetzung lauteten seine Mitteilungen ungefähr wie folgt:
    »Vor langer Zeit waren wir von den Römern besetzt. Dann waren wir von den Byzantinern besetzt, die so lange blieben, bis uns die Moslems besetzten. Dann besetzten uns die Johanniter. Sie bauten Rhodos zu einer Festung gegen die Türken aus, konnten aber nicht verhindern, daß wir schließlich doch noch von ihnen besetzt wurden. Nämlich von den Türken. Nach den Türken kamen die Italiener. Und was taten die Italiener? Sie besetzten uns. Allerdings waren wir dann eine Zeitlang wieder von den Türken besetzt, bis die Italiener zurückkamen. Dann kamen die Deutschen, dann kamen die Griechen, und dort halten wir jetzt.«
    Auf unsre Frage nach der besten aller bisherigen Besetzungen kratzte sich der alte Seebär den Hinterkopf und meinte, daß es da eigentlich keine großen Unterschiede gäbe. Hauptsache, man wäre besetzt und bliebe von der Unabhängigkeit verschont, die doch nur höhere Steuern brächte. Gegen den derzeitigen Zustand hätte er schon deshalb nichts einzuwenden, weil er selbst von Griechen abstamme. Seine Söhne hingegen seien Türken. Es könne sich aber auch umgekehrt verhalten - bei diesem ständigen Hin und Her von Besetzungen wüßte man das nie so genau. Dann schilderte er uns in kurzen Worten die Wichtigkeit der besetzten Insel in neuerer Zeit: Zum Beispiel sei hier im Jahre 1948 der Waffenstillstand zwischen den Arabern und den verdammten Juden unterzeichnet worden. Wir machten den alten Seebären schonend darauf aufmerksam, daß wir den letztgenannten zugehörten, worauf er sich mit der glaubwürdigen Erklärung entschuldigte, daß er uns auf Grund unserer gutturalen Sprechweise für verdammte Araber gehalten hätte.
    Unter derlei munteren Gesprächen wurde unser Boot schließlich an Land gezogen und vertäut. Die Erlebnishungrigen unter uns sahen sich außerstande, auf den versprochenen Charterautobus zu warten, der uns zum »Tal der Millionen Schmetterlinge« bringen sollte. Wir hielten Ausschau nach einem Taxi.
    Der Chauffeur bemühte sich, den Fahrpreis auf unsre Begeisterungsfähigkeit abzustimmen:
    »Sie dürfen diese Fahrt um Himmels willen nicht versäumen«, beschwor er uns. »Es würde Ihnen den Rest Ihres Lebens leid tun. Touristen aus der ganzen Welt, darunter die berühmtesten Botaniker, Ornithologen, Lepidopterologen und Gynäkologen kommen eigens hierher, um das Tal der Millionen Schmetterlinge zu sehen...«
    So feilschten wir noch eine Weile fort, bis wir endlich, erschöpft und schweißgebadet, in dem klapprigen Fahrzeug verstaut waren und losrumpelten. Der Fahrer tat das Seine, um unsere Erwartungen ins Maßlose zu steigern. Wir würden, so sagte er, ein übernatürliches Naturphänomen zu sehen bekommen, das in der ganzen Welt kein Gegenstück besäße und von dem nur Gott allein wisse, wie es überhaupt zustande gekommen sei. Einer bestimmten wissenschaftlichen Theorie zufolge strömten die Bäume dieser Gegend zur Blütezeit ein ganz besonderes Aroma aus, das die liebestrunkenen Schmetterlinge vom Weiher anlockte, bis sie, zu fast schon undurchdringlichen Wolken geballt und alle Regenbogenfarben spielend, das ganze Tal erfüllten.
    Als wir dem Wagen entstiegen, fieberten wir vor Erregung. Dicht vor uns ragte ein Berg mit einem gewundenen Fußpfad auf, der durch einen großen Wegweiser gekennzeichnet war: »300 m zum Tal der Millionen
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