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Der seekranke Walfisch. Oder: Ein Israeli auf Reisen.

Der seekranke Walfisch. Oder: Ein Israeli auf Reisen.

Titel: Der seekranke Walfisch. Oder: Ein Israeli auf Reisen.
Autoren: Ephraim Kishon
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durchquerten behende die Stadt und fanden in den angrenzenden Wäldern den offiziellen Dolmetsch der italienischen Regierung, einen verhältnismäßig jungen, gutgekleideten Mann, der uns mit der sprichwörtlichen Italienischen Gastfreundschaft empfing. Er war unverkennbarer Intelligenzler, hatte summa cum laude an der Universität Padua in Kunstgeschichte promoviert und wußte, wie wir an Hand verschiedener von ihm ins Gespräch eingestreuter Namen feststellen konnten, auch in der italienischen Literatur vortrefflich Bescheid. Eigentlich hatte er nur einen einzigen Fehler; er sprach keine andere Sprache als Italienisch. Nach einer Weile gab ich der besten Ehefrau von allen zu bedenken, ob wir nicht vielleicht besser täten, durch das Fenster in den wunderschönen Garten hinunterzuspringen und in der Dunkelheit zu verschwinden. Meine Gattin replizierte mit der unwiderleglichen Feststellung, daß siebzig Prozent schließlich siebzig Prozent wären. Ich fühlte meinen Haß gegen Florentiner Strohtaschen unheimlich wachsen.
    Wir beschlossen, in das Büro des weltmännischen Officio- Direktors zurückzukehren: außer mir selbst noch meine Gattin, der Beamte, der ewige Jude, der Dolmetscher und ein hinzugekommener junger Mann, der uns fast pausenlos Witze in neapolitanischem Dialekt erzählte und sich dabei vor Lachen die Seiten hielt.
    Im Officio angekommen, riß ich den Notizblock des Direktors an mich, zeichnete eine primitive Eisenbahn mit Rauchwölkchen darauf und ergänzte die graphische Darstellung durch folgenden Text:
    »70 % - giornalista - prego.«
    Damit war unverkennbar etwas Licht in die bisher so dunkle Angelegenheit gekommen. Der Direktor ließ abermals die Worte »un momentino« fallen, griff nach einer in Leder gebundenen Ausgabe der Republikanischen Verfassung und begann sie auswendig zu lernen. Der neapolitanische Witzerzähler händigte mir unterdessen einen Stoß Formulare ein, die ich, wie mir der Dolmetsch erklärte, in deutlich lesbarem Italienisch ausfüllen sollte. Ich warf blindlings Ziffern, Daten und Wortbrocken aufs Papier. In Zweifelsfällen half ich mir mit »Spaghetti alla Bolognese.«
    Nach Abschluß der Meinungsforschung packte mich der Neapolitaner am Arm und zog mich auf die Straße. Wir überquerten den Tiber und gelangten zu einem einsamen Gebäude am Stadtrand, wo wir eine Unzahl von Treppen hinaufeilten und vor einem kinokassenähnlichen Verschlag haltmachten. Als der Neapolitaner versuchte, mir die Brieftasche zu ziehen, gerieten wir in ein Handgemenge - bis mir dämmerte, daß er nur die sechshundert Lire für den Ermäßigungsausweis bei mir kassieren wollte.
    Mit Hilfe eines internationalen Codes machte ich ihm begreiflich, daß ich bereits in Tel Aviv gespendet hatte, worauf er ein Kapitel aus Dantes »Inferno« rezitierte. Ich gab ihm sechshundert Lire.
    Als wir zu unsrer Ausgangsbasis zurückkehrten, fand ich die beste Ehefrau von allen in einem alarmierenden Zustand: halb bewußtlos in ihren Sessel hingestreckt, aus glasigen Augen vor sich hin starrend und stoßweise atmend. Ich muß jedoch in aller Fairneß zugeben, daß auch der Stampa-Direktor schon seit zwölf Stunden nichts gegessen hatte. Er blätterte rastlos immer neue Listen durch und forschte nach meinem Namen. Plötzlich - ich werde diesen Augenblick nie vergessen - es war wie eine Erscheinung -; plötzlich erspähte ich auf einer solchen Liste ganz oben den Namen Kishon. Ich deutete zitternd auf die betreffende Stelle und rief mit vor Aufregung versagender Stimme: »Mio! Mio! Mio!«
    Der Direktor sah mich befremdet an und überschüttete mich mit einem neuerlichen Redeschwall, den ich zwar infolge meiner unverändert dürftigen Italienischkenntnisse nicht verstand, der mir aber an Hand der zahlreichen Gesten ungefähr folgendes zu bedeuten schien:
    »Ja, ja. Bene, bene. Nehmen wir an, dies sei Ihr Name. Und nehmen wir an, dies sei ein Verzeichnis der Auslandsjournalisten, die auf Fahrpreisermäßigung Anspruch haben. Was weiter? Was weiter?«
    Nach einer stummen, gedankenschweren Pause ließ der Direktor wieder einen seiner »momentinos« fallen, hob den Telefonhörer ab, nahm eine lange fernmündliche Instruktion seiner offenbar vorgesetzten Stelle entgegen und begann einen Bericht in acht Exemplaren auszufertigen, den er in den langsamsten Blockbuchstaben seit Julius Cäsar auf das Papier kerbte. Sobald er mit einem Blatt fertig war, wurde es durch Sonderkurier zur staatlichen Kontrollstelle befördert. Und
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