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Der schwarze Prinz

Titel: Der schwarze Prinz
Autoren: Netty
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Mülleimern und ausgeschlachteten Autowracks ... und bleckte seine sensenartigen, fingerlangen Fangzähne. Erjagte ausschließlich hier, in dem Dreieck zwischen Bahnhof Mitte, Cotta und dem Hafen. Dies war sein Territorium, sein Jagdrevier. Niemand interessierte sich für verschwundene Obdachlose und Junkies. Nach diesem Mädchen dort unten würde auch niemand suchen. Hier verschwanden einfach zu viele - die Polizei war überhaupt nicht dazu in der Lage, sich all der unaufgeklärten Fälle auch nur ansatzweise ausreichend anzunehmen.
    Trotz seiner gewaltigen Größe hangelte sich der Mannwolf mit der lautlosen Behändigkeit einer Raubkatze die Feuertreppe nach unten und landete wenige Meter hinter dem Mädchen auf allen vieren. Er witterte in die feuchte Nachtluft hinein. Durch den verrotteten Gestank nassen Mülls hindurch roch er das Parfüm des Mädchens. Es war billig. Niemand, der hier durchkam, konnte sich Teures leisten.
    Er schlich hinter ihr her, langsam, vorsichtig jedes Geräusch vermeidend. Er hatte es nicht eilig. Er wusste, dass sie nicht entkommen konnte. Sie zog ihren rechten Fuß nach, während sie ging. Scheinbar hatte sie sich ihren Knöchel verletzt, als die Kette abgesprungen war.
    Der Mannwolf kam näher und näher, so nah, dass er schließlich den Schlag ihres jungen Herzens hören konnte. Er war irritierend gleichmäßig für ein Mädchen nachts um halb eins auf dem Weg durch die Slums. Vielleicht war sie sehr viel mutiger, als es ihr gebeugter Gang erscheinen ließ ... um einiges wahrscheinlicher war sie aber einfach nur naiv. In wenigen Sekunden wird die Realität beweisen, dass es zwischen Mut und Naivität oft gar keinen Unterschied gibt , dachte der Mannwolf mit einem Grinsen ... und rannte schließlich los.
    Er machte einen weiten Sprung nach vorne, um sie direkt von hinten anzugreifen. Doch obwohl er das mit der absoluten Geräuschlosigkeit des erfahrenen Jägers tat...
    ... drehte sich das Mädchen plötzlich um - ruhig und gefasst -und lächelte ihn aus dem Schatten ihrer Kapuze heraus an.
    Es war ein verschlagenes Lächeln.
    »Hallo, Wolfie«, flüsterte sie mit einer beinahe schon süßen, verlockenden Stimme. »Möchtest du spielen?«
    Der Mannwolf sah das Glühen ihrer roten Augen und die langen spitzen Reißzähne aufblitzen...
    ... und er erkannte - allerdings viel zu spät -, dass er sich heute Nacht das falsche Mädchen ausgesucht hatte...

 
2
    Svenya musste unwillkürlich schmunzeln, als sie sah, wie sich die bernsteinfarbenen Augen des Mannwolfes mit Todesangst füllten. Sie genoss diesen so speziellen Moment jedes Mal aufs Neue - den Moment, in dem der brutale und erbarmungslose Jäger realisierte, dass er jetzt die hilf- und wehrlose Beute geworden war. Ihre Beute. Ihr Empfinden war kein grausames, kein naiv brutales - vielmehr war es ein gerechtes ... hatte dieses Monster doch unzählige unschuldige Leben auf dem Gewissen ... und es war ihre Aufgabe als Hüterin Midgards, es für seine Gräueltaten zu richten und auch das Urteil zu vollstrecken. Svenya wusste, dass die blutrünstige Kreatur in ihrer siegessicheren Gier mit zu viel Schwung losgesprungen war, um jetzt noch stoppen zu können - egal wie sehr sie es in ihrer Panik auch versuchte. Der Asphalt war nass vom Nebel, der von der nahen Elbe aufstieg, sowie dem Nieselregen, und der Müll und Dreck auf dem Bürgersteig machten den Boden nur noch glitschiger. Der Mannwolf rutschte mit weit vorgestreckten Klauen frontal auf Svenya zu. Er sah jetzt wirklich nicht mehr besonders gefährlich aus.
    Sich auf den Angriff vorbereitend, schätzte Svenya seine Geschwindigkeit ab, und einen Herzschlag bevor sein massiver Körper sie erreichte, sprang sie hoch in die Luft, drehte sich halb um die eigene Achse und fiel mit gegrätschten Beinen wieder herab ... um wie eine Reiterin auf dem muskelbepackten Rücken des Mannwolfs zu landen. Ihre Bewegungen waren so geschmeidig wie die einer Tänzerin und gleichzeitig so kraftvoll gezielt wie die einer Kampfsportmeisterin.
    »Komm schon, Wolfie«, jauchzte sie, allmählich erfüllt vom Rausch des bevorstehenden Kampfes. Während sie die scharfen Fingernägel ihrer rechten Hand in das nasse Haar seines breiten Nackens grub, trat sie mit den Absätzen ihrer Stiefel in die Seiten des Monsters. »Kleiner Ausritt gefällig?«
    Der Mannwolf knurrte wütend und laut auf und sprang an die Wand eines stillgelegten Fabrikgebäudes. Mit Klauen, die schärfer und härter waren als jedes
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