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Der schwarze Ballon

Der schwarze Ballon

Titel: Der schwarze Ballon
Autoren: Valerie Frankel
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einer Akte), eine Stehlampe, einen Garderobenständer, eine Schreibtischuhr, einen Aktenschrank und mehrere überquellende Aschenbecher. Einer ist ein Standaschenbecher, wie man sie in Filmen aus den Fünfzigern sieht. Ein dazu passendes Tischfeuerzeug habe ich in einem Trödelladen auf der Atlantic Avenue in Brooklyn gefunden. Es steht auf meinem Schreibtisch. Ach richtig, einen Teppich hab’ ich auch. Er ist so matt, wie Orange gerade noch sein kann — ich hab’ ihn zusammen mit dem Raum übernommen. In zwei Wochen ist die Miete fällig. Von meinen Kreditkartenrechnungen will ich gar nicht erst reden.
    Wenn ich Belle verlieren würde, meine Starklientin, wäre dies das Ende von Do It Right. Nach meinem Essen mit ihr war ich zum Büro zurückgejoggt und hatte über meinen unbezahlten Rechnungen gebrütet, nachdem ich zuvor Alex die ganze Geschichte erzählt hatte. Die Beschattung von Belles Johann war seit Wochen unser einziger Auftrag; ihr Taschengeld hielt uns und den Laden über Wasser. Ohne sie und ohne die Aussicht auf neue Aufträge war es nur eine Frage von einigen Tagen, bis wir pleite sein würden. Ich war nach Brooklyn in meine Wohnung gefahren und hatte mit Otis, meiner strammen jungen Katze, eine Strategie ausgedacht, wie ich Belle wieder zurücklocken konnte.
    Belle zog nicht nur perfekt alle Drähte, sondern war erschreckenderweise auch unglaublich sprunghaft. Ich mußte sie zurückkriegen, bevor sie irgendeinen anderen Privatschnüffler fand. Ich war dazu entschlossen, vor ihr zu Kreuze zu kriechen — nicht gerade so, daß ich meine Selbstachtung total verlor, aber doch mit angemessenem Pathos. Wenn Belle eine tödliche Schwäche hat, dann ist das ihre Empfänglichkeit für Schmeicheleien.
    Ich nahm mir vor, sie im Verlag aufzusuchen. Habe ich schon erwähnt, daß Belle eine Zeitschrift herausgibt? Sie war Herausgeberin des Midnight- Magazins, Softcore-Erotika »für alleinstehende und verheiratete Frauen«. Hauptsächlich Literatur, ein paar Weichzeichner-Fotos — nichts allzu Heftiges. Belle hat einen guten Ruf. Alle akzeptieren, daß sie brillant ist, selbst ihre männlichen Gegenparts bei irgendwelchen Tittenblättern. Ich lernte Belle kennen, als ich beim Midnight als Reporterin arbeitete, bevor ich in die Schnüfflerbranche über wechselte. Wie bei den meisten Reportern war das ein langgehegter Traum von mir. Mein erster Außenjob war bei der Privatdetektei Binkerton. Ich arbeitete dort ein paar Monate. Als dann meine Großmutter starb und mir eine Tuschzeichnung von Picasso im Wert von ein paar Riesen hinterließ, nahm ich das Geld und machte zusammen mit Alex Do It Right auf. Aber das ist wieder eine Geschichte für sich. Ich nahm mir vor, gleich am Morgen als allererstes beim Midnight aufzukreuzen. Sie würde mich empfangen, das wußte ich. Sicher, sie würde mich warten lassen, wahrscheinlich eine Stunde oder so. Sie hatten im Moment alle Hände voll zu tun mit der alljährlichen Anaïs-Nin-Sonderausgabe. Belle selbst bastelte an einem Essay über die ultimative Erotik von Sex während der Menstruation. Aber egal wie zugeschüttet mit Arbeit Belle auch war, um einen niederzumachen hatte sie allemal noch genug Zeit und Energie. Ich würde geduldig draußen sitzen und warten, bis sie geruhen würde, mich zu empfangen. Ich würde ein schwarz-violettes Azzedine-Alaïa-Outfit anhaben. Minirock, lange Jacke, weiße Bluse mit großen Knöpfen und schwarze durchsichtige Strümpfe. Ich würde meine Joan-&-David-Hacken tragen. Ich würde sittsam und reumütig dasitzen. Ich würde warten, bis sie mit ihrer Kanonade fertig sein würde. Dann würde ich die gleiche Nummer abziehen wie vor einem Jahr nach der Geschichte mit dem verheirateten Mann. Ich würde heulen, sie würde mich finster anstarren; ich würde noch ein bißchen mehr heulen, sie würde weich werden.
    Alex holte mich wieder in die Gegenwart zurück. »Trink aus. Wird Zeit, daß du dich rüber zum Midnight bewegst.«
    »Du hast recht«, sagte ich. »Wünsch mir Glück.« Ich kippte schnell den restlichen Espresso hinunter und verbrannte mir dabei leicht die Zunge. Alex stand auf und begutachtete mein Outfit. »Dreh dich mal rum«, befahl er. Er nickte stumm und stieß einen leisen Pfiff aus. Dann legte er die Hände auf meine Schultern und schaute herunter auf mein Gesicht. Er sagte mit einer merkwürdig ernsten Stimme: »Wanda, egal, was passiert, du bist okay. Es gibt Leute da draußen, die lieben dich.«
    Ich sagte: »Meine Eltern
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