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Der schwarze Atem Gottes

Der schwarze Atem Gottes

Titel: Der schwarze Atem Gottes
Autoren: Michael Siefener
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blieb nichts anderes übrig, als ihm hinterherzulaufen.
     
    »Malkuth«, sagte Federlin erschüttert. »Auerbach hat es wirklich geschafft. Er hat die Sefira geöffnet und ist in sie eingedrungen.«
     
    Das Brüllen war unerträglich. Es füllte den zweischiffigen Raum genauso stark aus wie die Finsternis, die einem dicken Tuch gleich über den Köpfen der beiden Personen schwebte, die sich vor dem Thoraschrein gegenüberstanden und in ihrer wahnsinnigen, unirdischen Litanei unbeirrt fortfuhren.
     
    Jetzt erst sah Martin, was sich in dem Raum zwischen ihnen abspielte. Er sah den zuckenden Rücken eines Mannes und die gespreizten Beine einer Frau auf dem Boden. Sofort lief er darauf zu.
     
    »Halt!«, rief ihm Federlin hinterher. Seine Stimme war von Grauen geschwängert.
     
    Martin spürte, wie ihm ein fauliger Wind ins Gesicht fuhr und über seinen stoppeligen Schädel strich. Es war, als steckten in diesem Wind Tausende kleiner Nadeln, die sich in Martins Kopfhaut bohrten.
     
    Nun sah er deutlicher, was da vor ihm auf dem Boden geschah. Er sah den magischen Kreis, er erkannte Hilarius, und er erkannte Maria. Als er sich auf den Pater stürzen wollte, bemerkte er eine Bewegung rechts vor ihm. Es war noch jemand in der Synagoge. Er schaute auf.
     
    Eine Schlange aus Finsternis, die auf einem geschnitzten Thron saß. Eine Schlange, aus deren unglaublich breitem Maul sich der schwarze Atem Gottes ergoss. Und dieser Atem, der sich unter der Decke sammelte und bereits hinaus in die Nachtwelt floss, senkte sich immer tiefer auf die beiden Gestalten herab, die vor ihm auf dem Boden lagen und sich wie rasend bewegten. Säulen aus Finsternis quollen aus der dichten Masse über Martins Kopf herab. Er riss den Blick von jenem Wesen auf dem Thron los und stürzte sich auf Hilarius. Er packte ihn an den Schultern und zog ihn von Maria herunter. Der Wind zerrte immer heftiger an ihm. Martin taumelte; seine Finger rutschten von dem schweißbedeckten Rücken des Paters ab; Hilarius fiel schwer auf die Knie, und sofort griff er wieder nach Maria und versuchte, seine bedrohlich lange Rute in ihr zu versenken. Die Stränge aus Schwärze waren wie Ausstülpungen, wie Tentakel, die sich suchend und tastend immer weiter abwärts bewegten. Die schauerliche Litanei kippte in kreischende Raserei um. Martin sah, dass sich weder der Graf noch der Succubus bewegten; sie standen mit ausgebreiteten Armen wie gekreuzigt da und spien ihre Worte aus wie schwarzen Schleim. Die Gegenwart von Martin und Federlin schien sie nicht im Geringsten zu stören; vielleicht hatten sie die beiden Eindringlinge überhaupt nicht bemerkt.
     
    Martin stellte sich ganz in den Kreis, damit er den Pater besser zu fassen bekam.
     
    »Nein!«, schrie Federlin. Martin drehte sich kurz um. Er sah, wie der Gaukler wild gestikulierte und nach oben zeigte. Martin folgte mit den Augen seinen Bewegungen.
     
    Der eine der schlauchähnlichen Tentakel hatte ihn beinahe erreicht. Martin duckte sich und verkrallte sich wieder in dem rasenden Pater. Es gelang ihm, Hilarius erneut von Maria herunterzuzerren. Die beiden Männer wälzten sich über den blutbeschmierten Boden; der magische Kreis wurde langsam verwischt.
     
    Der Zwilling des Paters biss wild um sich und erwischte schließlich Martins linken Arm. Mit einem Schrei sprang Martin auf, doch der Pater zerrte an seinen Beinen, und der junge Mönch verlor das Gleichgewicht. Beinahe wäre er auf Maria gefallen, die reglos auf dem Rücken lag. Nur ihr angstgetränkter, umherirrender Blick verriet, dass sie noch lebte.
     
    Aus den Augenwinkeln heraus sah Martin, dass Federlin zu dem Succubus gelaufen war und ihm die Hände um den Hals gelegt hatte. Das schreckliche Gekreisch brach gurgelnd ab. Die Frau riss die Arme nach hinten und versuchte, den Gaukler abzuschütteln.
     
    Hilarius rollte sich auf Martin, der mit den Fäusten auf das verzerrte Gesicht des Paters einschlug. Der alte Mann schrie auf. Blut rann ihm aus Nase und Mundwinkeln und färbte das schmutzige Grau seiner Bartstoppeln. Er bäumte sich auf und fuhr sich mit der Hand an das Gesicht.
     
    Einer der Tentakel hatte inzwischen beinahe Maria erreicht. Sie starrte entsetzt auf das sich niedersenkende Ende des schwarzen Schlauchs und war offenbar nicht in der Lage, sich zu entfernen. Martin streckte die Hand nach ihr aus. Er erwischte sie an der Hüfte. Verzweifelt drückte er gegen ihren Körper, aber er ließ sich nicht bewegen.
     
    Der Pater heulte auf,
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