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Der schwarze Atem Gottes

Der schwarze Atem Gottes

Titel: Der schwarze Atem Gottes
Autoren: Michael Siefener
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begann Hilarius an seinen Kleidern herumzuzerren. Er riss sich das Wams von Körper, verkrallte sich in sein Hemd und zerfetzte den Stoff mit wilder Kraft. Als das Hemd weit genug offen stand, sah Maria zum ersten Mal, was da auf dem Bauch des Paters saß und ein so schreckliches eigenes Leben hatte. Ganz tief in ihr bildete sich ein Schrei, der die Fesseln ihres gelähmten Körpers durchbrach und sich machtvoll an die Oberfläche kämpfte. Er quoll aus ihr heraus wie der schwarze Atem aus dem Schreckensmann und übertönte sogar das wilde Beten des Grafen und seiner höllischen Begleiterin.
     
    Der zweite Kopf des Paters hob sich leicht und schaute sie aus gelben Augen an. Die Zunge hing ihm aus dem kleinen, schiefen Mund, und dicke, pulsierende, blaue Adern liefen wie Schnüre über das ganze Gesicht. Der Pater entledigte sich auch seiner restlichen Kleidungsstücke, und die beiden Köpfe grinsten Maria mit geilem Verlangen an. Dann packte der Pater sie und riss ihr die Kleider vom Leib. Sie spürte, wie die raue Zunge des zweiten Kopfes ihr über den Bauch fuhr. Hilarius gab ihr einen Stoß vor die Brust, und sie fiel hin. Der Aufschlag durchbrach für einen Augenblick ihre Benommenheit. Sie bemerkte, dass sie nah am Rand des Kreises aufgeschlagen war. Über ihr senkte sich die Schwärze immer tiefer herab; sie erreichte eine der höchsten Pechfackeln; ihr Feuer erlosch zischend. Maria versuchte, sich aus dem Kreis und fort von dem Pater zu robben. Schon ragte ihr Kopf über die roten Linien hinweg.
     
    Da ergriff der Pater ihre Fußknöchel und versuchte, sie zurück in die Mitte des Kreises zu ziehen. Sie schlug um sich. Nirgendwo gab es etwas in ihrer Reichweite, woran sie sich hätte festhalten können. Stück für Stück rutschte sie wieder in den Kreis hinein. Die Gebete heulten wie ein Sturmwind, und auch aus der Schwärze schoss ein Wind nieder, der an Marias Haaren und an ihrem nackten Körper riss; er schien in sie einzudringen, in ihre Augen, ihre Nase, ihren Schoß.
     
    Sie sah, wie das lange und dicke Glied des Paters bei seinem Versuch, sie zurückzuholen, hin und her schwang. Sie schrie und ruderte mit den Armen, doch der Wind legte sich um ihre Glieder und erstickte ihre Gegenwehr. Dann zog der Pater sie mit einem gewaltigen Ruck an sich; er ließ sie erst los, als auch ihre Haare wieder innerhalb des Blutkreises waren. Er ließ sich hart auf die Knie fallen und robbte zwischen ihre Schenkel, die er mit roher Gewalt auseinanderdrückte. Sie versuchte, gegen ihn zu kämpfen, doch sie hatte keine Kontrolle mehr über ihren Körper.
     
    Sie lag auf dem Rücken und sah, wie das zweite, kleinere Gesicht sie angrinste. Wieder spürte sie seine pelzige Zunge auf ihren Bauch. Dann rammte Hilarius seine Rute mit einem einzigen Stoß bis zum Anschlag in Marias Schoß.
     
    Alles nur ein schrecklicher Traum …
     
    Die Schwärze senkte sich immer tiefer; sie troff herab wie der Tau der Finsternis …
     
        
     

38. Kapitel
     
    In der Rabbinergasse lagen die Leichen wie fortgeworfener Unrat. Die Feuer in den Häusern erstickten an ihrer eigenen Gier. Und schließlich standen Federlin und Martin vor der Altneu-Synagoge.
     
    Martin sah sofort, dass sie ihr Ziel erreicht hatten. Aus den geschlossenen, tief in das Mauerwerk eingelassenen Fenstern strömte die Schwärze in den Himmel – dieselbe Schwärze, die er auch im Haus des Benjamin Auerbach bemerkt hatte. Aber hier war sie ungleich dichter. Hier schien sie das Gewebe des nächtlichen Himmels zu bilden. Er sah Federlin an. Der Gaukler nickte.
     
    Und dann hörten sie die schrecklich lauten Gebete, die irren Stimmen, die nicht nur von zwei oder drei Personen, sondern von ganzen Scharen zu stammen schienen. Federlin lief um den niedrigen Vorbau herum; er schien genau zu wissen, an welcher Seite der Eingang lag. Martin folgte ihm.
     
    Sie hasteten durch das geborstene Portal und standen in der düsteren, etwas tiefer als der Erdboden gelegenen Vorhalle. Die herausgebrüllten Litaneien hallten wie in einer Höhle. Martin sah die feuchten, sich windenden Wände und stand starr vor dem unbegreiflichen Leben der schwitzenden Steine. »Was … ist … das?«, stammelte er.
     
    »Das ist der Beginn«, antwortete Federlin, der die Vorhalle mit Blicken durchmaß, die erkennen ließen, dass er so etwas schon einmal gesehen hatte. Ohne ein weiteres Wort der Erklärung riss er eine der Spitzbogentüren auf, die in das Innere der Synagoge führten. Martin
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