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Der Schutzengel

Der Schutzengel

Titel: Der Schutzengel
Autoren: Dean R. Koontz
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anlagebedingte Komplikationen …«
    »Physiologische Unregelmäßigkeiten, die eine Schwangerschaft hätten gefährden können, wären mir aufgefallen«, unterbrach Markwell ihn scharf. Aber er wußte, daß er sie möglicherweise nicht bemerkt hatte, weil er betrunken gewesen war. »Dr. Carlson hat heute Nachtdienst. Falls Mrs. Shanes Zustand sich verschlechtert, bevor ich da bin, soll er …«
    »Bei uns sind eben vier Unfallopfer eingeliefert worden, zwei davon in sehr schlechter Verfassung. Carlson hat alle Hände voll zu tun. Wir brauchen Sie, Dr. Markwell.«
    »Ich komme sofort. Zwanzig Minuten.«
    Markwell legte auf, trank seinen Scotch aus und holte eine Pfefferminzpastille aus seiner Jackentasche. Seitdem er zum Alkoholiker geworden war, trug er stets solche Bonbons bei sich. Während er die Pastille auswickelte und sie sich in den Mund steckte, verließ er sein Arbeitszimmer und ging den Flur entlang zum Garderobenschrank in der Diele.
    Er war betrunken und würde als Geburtshelfer fungieren, und er würde die Entbindung vielleicht verpfuschen, was das Ende seiner beruflichen Laufbahn und seines guten Rufes bedeuten konnte, aber das alles kümmerte ihn nicht. Tatsächlich wünschte er sich diese Katastrophe mit geradezu perverser Sehnsucht herbei.
    Als er seinen Wintermantel anzog, erschütterte ein Donnerschlag die Nacht. Das ganze Haus erbebte davon.
    Markwell runzelte die Stirn und starrte das Fenster neben der Haustür an. Feiner, trockener Schnee wirbelte gegen das Glas, blieb für kurze Zeit ruhig schweben, wenn der Wind Atem schöpfte, und wirbelte dann weiter. Im Laufe der Jahre hatte er einige Male bei Schneestürmen Donnergrollen erlebt – allerdings stets nur zu Beginn und immer gedämpft und weit entfernt, nie so bedrohlich wie diesmal.
    Ein Blitz zuckte herab, dann noch einer. Im unsteten Licht flackerten die Schneekristalle seltsam auf, das Fenster verwandelte sich vorübergehend in einen Spiegel, in dem Markwell sein gequältes Gesicht sah. Der nun folgende Donnerschlag war lauter als alle bisherigen.
    Er öffnete die Haustür und blickte neugierig in die sturmgepeitschte Nacht hinaus. Der heulende Wind trieb den Schnee unters Vordach und gegen die Fassade des Hauses. Auf dem Rasen lag eine sechs bis acht Zentimeter hohe Neuschneedekke, die dem Wind zugekehrten Zweige der großen Tannen waren ebenfalls weiß bestäubt.
    Wieder ein Blitz – diesmal gleißend hell, so daß Markwell geblendet wurde. Der Donner war gewaltig, schien nicht nur vom Himmel, sondern auch aus der Erde zu kommen, als spalteten sich Himmel und Erde, um das Nahen des Jüngsten Gerichts anzukündigen. Zwei lange, grelle, sich überlagernde Blitzstrahlen zerrissen das Dunkel. In allen Himmelsrichtungen sprangen, zuckten und pulsierten unheimliche Silhouetten. Die Schatten von Verandageländern, Brüstungen, Bäumen, kahlen Sträuchern und Straßenlaternen wurden durch jeden Blitz so schaurig entstellt, daß Markwells vertraute Umgebung die Züge eines surrealistischen Gemäldes annahm: Das unirdische Licht erhellte gewöhnliche Gegenstände so eigentümlich, daß sie wie beunruhigende Mutationen ihrer selbst wirkten.
    Der von Blitzen zerrissene Himmel, die krachenden Donnerschläge, der heulende Sturm und das wirbelnde Schneetreiben nahmen Markwell die Orientierung, abrupt fühlte er sich erstmals in dieser Nacht betrunken. Er fragte sich, wie viele dieser bizarren Phänomene real waren – und wie viele auf alkoholbedingte Halluzinationen zurückgingen. Er tastete sich über die rutschigen Steinplatten unter dem Vordach zu den auf den schneebedeckten Gehsteig hinabführenden Stufen vor, lehnte sich an eine der das Dach tragenden Säulen und verrenkte sich fast den Hals, um zu dem von Blitzen erhellten Nachthimmel aufsehen zu können.
    Eine ganze Kette von Blitzen tauchte den Vorgartenrasen und die Straße immer wieder in flackerndes Licht, so daß die Szene an einen in einem defekten Projektor ruckweise weiterlaufenden Kinofilm erinnerte. Alle Farben waren aus der Nacht herausgebrannt; zurück blieben lediglich die gleißende Helligkeit der Blitze, das Dunkel des sternenlosen Himmels, das blendende Weiß des Schnees und das tiefe Schwarz der bebenden Schatten.
    Während er diese kuriosen Himmelserscheinungen staunend und ängstlich beobachtete, spaltete ein weiterer Blitzstrahl das Himmelsgewölbe. Seine die Erde suchende Spitze fuhr in eine nur zwanzig Meter entfernte gußeiserne Straßenlaterne, und Markwell schrie
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