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Der Schutzengel

Der Schutzengel

Titel: Der Schutzengel
Autoren: Dean R. Koontz
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unwillkürlich erschrocken auf. Im Augenblick des Kontakts wurde die Nacht weißglühend, die Glasscheiben der Laterne explodierten förmlich. Der gleichzeitige Donner vibrierte in Markwells Zähnen und ließ den Boden unter seinen Füßen erbeben. Die kalte Nachtluft stank im selben Augenblick nach Ozon und heißem Eisen.
    Stille und Dunkelheit kehrten zurück.
    Markwell hatte seine Pfefferminzpastille verschluckt.
    Entlang der Straße tauchten verdutzte Nachbarn vor ihren Haustüren auf. Oder vielleicht hatten sie schon während des gesamten Aufruhrs dort gestanden, und er nahm sie erst jetzt wahr, da die verhältnismäßige Ruhe eines gewöhnlichen Schneesturms wieder eingekehrt war. Einige wenige stapften durch den Schnee, um die beschädigte Straßenlaterne, deren Leuchtkörper halb geschmolzen zu sein schien, aus der Nähe zu begutachten. Sie sprachen laut miteinander, riefen auch etwas zu Markwell herüber, der jedoch keine Antwort gab.
    Die schrecklichen Himmelserscheinungen hatten ihn keineswegs nüchtern gemacht. Da er fürchtete, die Nachbarn könnten merken, daß er betrunken war, wandte er sich ab und trat ins Haus zurück.
    Außerdem hatte er keine Zeit, übers Wetter zu schwatzen. Er mußte eine Schwangere behandeln, bei einer Entbindung als Geburtshelfer fungieren.
    Markwell bemühte sich, seine Bewegungen unter Kontrolle zu bekommen, während er einen Wollschal aus dem Garderobenschrank holte, ihn sich um den Hals schlang und die Enden vor der Brust übereinanderschlug. Seine Hände zitterten, seine Finger waren etwas steif, aber es gelang ihm, seinen Mantel zuzuknöpfen. Als er sich bückte, um seine Galoschen überzuziehen, hatte er gegen einen Schwindelanfall anzukämpfen.
    Er war davon überzeugt, die ungewöhnlichen Blitze seien von irgendeiner speziellen Bedeutung für ihn. Ein Zeichen, ein Omen. Unsinn! Daran war nur der Whisky schuld, der ihn benebelte. Trotzdem wurde er dieses Gefühl nicht los, während er in die Garage ging, das Tor öffnete und seinen Wagen rückwärts in die Einfahrt hinausrollen ließ, wobei die Ketten an den Winterreifen leise im Schnee knirschten.
    Als Markwell den Hebel des Automatikgetriebes in Stellung P brachte, um aussteigen und das Garagentor schließen zu können, klopfte jemand kräftig an die Scheibe. Er drehte verblüfft den Kopf zur Seite und sah einen Mann, der sich bückte und ihn durchs Glas hindurch anstarrte.
    Der Unbekannte war schätzungsweise Mitte Dreißig, hatte ein energisches, gutgeschnittenes Gesicht und wirkte selbst durch die teilweise beschlagene Scheibe hindurch imposant. Er trug eine halblange Seemannsjacke mit hochgeschlagenem Kragen. In der eisigen Winterluft dampften seine Nasenlöcher, und als er sprach, waren seine Worte von fahlen Atemwolken begleitet. »Doktor Markwell?«
    Markwell kurbelte sein Fenster herunter. »Ja?«
    »Doktor Paul Markwell?«
    »Ja, ja, sag’ ich doch! Aber ich habe nachts keine Sprechstunde und muß ins Krankenhaus zu einer Patientin.«
    Der Fremde hatte außergewöhnlich blaue Augen, die Markwell an einen klaren Winterhimmel erinnerten, der sich im millimeterdicken Eis eines eben zugefrorenen Tümpels spiegelte. Sie hatten etwas Anziehendes an sich, waren eigentlich sogar schön zu nennen, aber er wußte sofort, daß dies auch die Augen eines gefährlichen Mannes waren.
    Bevor Markwell auf die Straße zurückstoßen konnte, wo Hilfe zu finden gewesen wäre, steckte der Mann in der Seemannsjacke eine Pistole durchs offene Autofenster. »Machen Sie keine Dummheiten.«
    Als die Mündung sich ins weiche Fleisch unter seinem Kinn drückte, konstatierte der Arzt einigermaßen überrascht, daß er nicht sterben wollte. Er hatte lange die Vorstellung gehegt, er sei bereit, den Tod mit offenen Armen zu empfangen. Anstatt nun jedoch die Erkenntnis zu begrüßen, daß er durchaus noch Lebenswillen besaß, hatte er jetzt ein schlechtes Gewissen. Weiterleben zu wollen erschien ihm wie Verrat an seinem Sohn, mit dem er nur im Tode vereint sein konnte.
    »Scheinwerfer aus, Doktor. Gut. Jetzt stellen Sie den Motor ab.«
    Markwell zog den Zündschlüssel ab. »Wer sind Sie?«
    »Das ist unwichtig.«
    »Für mich nicht. Was wollen Sie? Was haben Sie mit mir vor?«
    »Tun Sie, was ich Ihnen sage, dann haben Sie nichts zu befürchten. Sollten Sie aber abhauen wollen, blase ich Ihnen das Hirn aus dem Schädel und verwende den Rest des Magazins nur so zum Spaß dazu, Ihre Leiche zu durchlöchern.« Seine Stimme war leise, klang
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