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Der Schrei des Eisvogels

Der Schrei des Eisvogels

Titel: Der Schrei des Eisvogels
Autoren: Reginald Hill
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Aufregung des Abrechnungsfestes und in den Fingern ein unwiderstehliches Verlangen nach einem dicken, schweren Pinsel. Justin Halavant bemerkte die Abwesenheit seiner zukünftigen Braut und kam zu dem Schluss, dass der Besuch eines Halavant bei dem Fest der Guillemards zwar von historischer Tragweite sein mochte, das Erdulden einer Guillemardschen Gesangseinlage jedoch an Masochismus grenzte, und so eilte er, nachdem er zunächst dem Squire und danach dem zweiten Eckmann flüchtig zugenickt hatte, davon.
    Die erste, die das Fest verließ, weil sie überzeugt war, dass ihr Sohn nun nicht mehr vorbeikommen würde, und weil sie seit der erstaunlichen Nachricht von Caddy Scudamores Verlobung ihre düsteren Vorahnungen nur noch schlimmer quälten, war die zierliche, bleiche Gestalt von Elsie Toke.
    Doch die meisten Bürger von Enscombe blieben – ob aus Lehnstreue, von der eigenen Maßlosigkeit außer Gefecht gesetzt oder aus Furcht vor Girlies grimmigem Blick – auf ihren Plätzen und lauschten der Ballade des Squires, bis sie die ersten Schreie hörten.

Vier
    »Ich muss dabei an die Schilderung vom Schiffbruch des heiligen Paulus denken, wo es heißt, dass alle, auf unterschiedliche Weise, ans sichere Ufer gelangen.«
    W elchen sollte er nehmen?
    Den Guten? Den Schlechten? Oder den Hässlichen?
    Er traf seine Entscheidung.
    Er hob das Gewehr.
    Er schoss.
    Wield fühlte den Aufprall wie einen leichten Schlag gegen die Brust. Er blickte an sich herab, sah, wie sich der rote Fleck ausbreitete, roch den beißenden, rohen, essigsauren Geruch von Blut und fragte, eher aus Verblüffung als Groll: »Wieso mich?«
    Das Baumwollhemd war vielleicht in der Waschmaschine zu retten, doch er wusste aus Erfahrung, dass die italienische Seidenkrawatte, die ihm seine Schwester zu Weihnachten geschenkt hatte, endgültig hin war. Sein Kleiderschrank wimmelte von Seidenkrawatten (seine Schwester war bei Geschenken ziemlich einfallslos), die Soßenflecken oder Suppenspritzer oder sogar der Sprühnebel aus einer zu hastig geöffneten Guinnessdose untragbar gemacht hatten. Doch Blut war viel schlimmer als alles andere. Blut blieb ewig.
    Allmählich dämmerte ihm, dass er sich eigentlich fragen sollte, wieso zum Teufel er sich um seine schmutzige Wäsche Gedanken machte.
    Dalziel und Pascoe hatten ihrem jeweiligen Temperament entsprechend reagiert.
    Der Dicke raste mit einer Geschwindigkeit nach vorn, die schon in seinen Rugby-Tagen so manchen leichtfüßigen Läufer in Erstaunen versetzt hatte. Doch so schnell er auch sein mochte, Jugend, glühender Zorn und Vergeltungsinstinkt verschafften Harry Bendish einen Vorsprung. Er vergaß sein verletztes Bein, sprang auf den Tisch und stürzte sich in einem halsbrecherischen Angriff auf den Berserker, erwischte ihn in der Magengrube und riss ihn über die gesamte Länge des polierten Tischs mit, bis sie darüber hinaus schossen und zusammen auf den unnachgiebigen Rasen prallten.
    Indessen legte Pascoe seinen Arm um Wield und rief: »O mein Gott, Wieldy, bist du in Ordnung?«
    Das war vielleicht eine Frage, die ein gebildeter Mann in einer solchen Situation lieber nicht gestellt hätte, doch wenn tiefe Emotionen das Skript schreiben, schleicht sich das Klischee durch die Hintertür ein.
    Wield, wesentlich geübter in Selbstkontrolle und stärker der Präzision verschrieben, überprüfte und analysierte seine Gefühle und sagte gelinde überrascht: »Mir geht’s erheblich besser als erwartet.«
    »Aber das viele Blut …«
    »Ich weiß nicht, wessen Blut das ist«, sagte Wield. »Aber ich bin ziemlich sicher, dass es nicht meins ist.«
    Und Dalziel, der mit Bewunderung feststellte, dass Bendish nicht nur angriff wie ein Schlussmann, sondern auch die Schlagkraft eines Stürmers besaß, schwang die fallengelassene Waffe des Berserkers wie eine Trophäe und sagte: »Es ist so ’n Spielzeuggewehr, das Farbkugeln verschießt. Trotzdem, keine Sorge. Die Absicht zählt. Wissen Sie was, Bendish? Ziehen Sie ihm dieses Kapuzending vom Kopf, dann haben Sie eine bessere Zielscheibe!«
    Harry hielt mitten im Schlag inne, nickte in Anerkennung der höheren Weisheit von Alter und Erfahrung und riss seinem Gegner die Mütze vom Kopf, unter der das schlaffe, bleiche Gesicht von Guy Guillemard zum Vorschein kam.
    Der junge Rotschopf landete noch ein schlagendes Argument, bevor Franny ihn am Arm packte und brüllte: »Genug!«
    Bendish schien widersprechen zu wollen, doch junge Liebe wiegt schwerer als die
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