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Der Schoepfer

Der Schoepfer

Titel: Der Schoepfer
Autoren: Dean Koontz
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sie intuitiv erkannte, dass es sie das Leben kosten konnte, sich an die Vorschriften zu halten.
    Chang war der Angestellte eines chinesischen Konzerns. Er war der Chef der Abteilung für Strategische Wettbewerbsanalyse, was – plump gesagt – hieß, dass er entweder durch Diebstahl oder durch Bestechung technologische Geschäftsgeheimnisse anderer Konzerne an sich brachte. Er war früher nicht beim Militär und auch kein Agent eines Geheimdienstes der Regierung gewesen. Bisher hatte Gewalttätigkeit nicht zu seinem kriminellen Repertoire gezählt.
    Sicher hatte er Carson und Michael durch reinen Zufall bemerkt und nicht etwa, weil seine Wahrnehmungsfähigkeit die eines bestens geschulten Agenten war. Da er sich zwar auf irgendeine Weise ihrer Anwesenheit, aber nicht ihres exakten Standorts bewusst war, hatte er die zwei Schüsse nur grob in ihre Richtung abgegeben, und das war sowohl eine Vergeudung von Munition als auch eine Panikreaktion, da er bei dem Mord erwischt worden war.
    Dieser Schreibtischhengst, dieser Amateur , konnte es nicht mit zwei ehemaligen Bullen von der Mordkommission in New Orleans aufnehmen, die jetzt äußerst motivierte private Schnüffler waren, da sie die Unkosten für ihre Geschäftsräume zu tragen und gerade Familienzuwachs bekommen hatten. Carson sah im ersten Moment keine Notwendigkeit, den Rückzug vor einem Firmenbürokraten anzutreten, selbst dann nicht, wenn er mordete.
    Da sie zuversichtlich war, dass der unbeleuchtete Parkplatz hinter ihr dem Schützen keine Silhouette lieferte, auf die er zielen konnte, rannte sie auf ihn zu. Die Sicherheitslampen auf dem Lagerhaus im Hintergrund strahlten ihr Zielobjekt von hinten an, und sie konnte ihn selbst ohne die Nachtsichtkamera weitaus besser sehen als er sie.
    Carsons anfängliche Kühnheit erwies sich als gerechtfertigt, da Chang, statt wieder blindlings Schüsse abzugeben, die Einkaufstüte, mit der er hier eingetroffen war, und den Aktenkoffer an sich riss, den Brockman hatte fallen lassen, als er erschossen worden war. Er rannte auf das nächstgelegene Lagerhaus zu.
    Im Laufen wurde Carson bewusst, dass Chang den Abstand zwischen ihr und ihm vergrößerte, obwohl er schwer zu tragen hatte, und dass Michael irgendwo rechts neben ihr war. Sie war sich auch dessen bewusst, dass Scout, ihre sieben Monate alte Tochter, zu Hause war, und das nicht, weil sie dank paranormaler Begabung die Fähigkeit besaß, sie auch aus der Ferne zu überwachen – was nicht der Fall war – , sondern weil sie jetzt Mutter war, was eine Verantwortung mit sich brachte, deren Last sie nicht mit sich herumgetragen hatte, als sie noch im Big Easy den toughen Bullen hatte raushängen lassen.
    Sie war schon häufig als »Mother« beschimpft worden, ehe sie eine gewesen war, vorwiegend von Verbrechern, Rauschgiftsüchtigen und korrupten Bullen, die auf die grundanständigen Leute bei der Polizei sehr schlecht zu sprechen waren, aber das war kein Lob ihrer Hingabe an die Kindererziehung gewesen, sondern »Mother« als Abkürzung für »Motherfucker«, die sich im Lauf der Jahre immer mehr durchgesetzt hatte.
    In jenen Zeiten hätte sie sich nie träumen lassen, sie könnte eines Tages ein Kind haben wollen, ganz zu schweigen davon, dass sie heiraten und tatsächlich ein Kind zur Welt bringen würde. Sie hatte zu viel beweisen müssen und keine Zeit für Romanzen, einen Ehemann und eine Familie gehabt. Sie hatte unbedingt herausfinden müssen, wer ihre Mom und ihren Dad nicht nur ermordet, sondern regelrecht hingerichtet hatte, mit Kugeln in den Hinterkopf.
    Das Wort Mother in Verbindung mit sechs weiteren Buchstaben, mit einem gehässigen Zischen und sprühender Spucke ausgestoßen, hatte sie nie beleidigt, weil die miesen Ärsche, die sie so nannten, es in Wirklichkeit als Synonym für unbestechlich , engagiert und unnachgiebig benutzten.
    Als ihr hektischer Herzschlag bei der Verfolgung des entwischenden Schattens, bei dem es sich um Chang handelte, mit dem Trommeln ihrer Füße auf dem Teer synchron war und sie ihren Rhythmus gefunden hatte, begann sie sich zu fragen, ob sie jetzt noch so engagiert und unnachgiebig war wie zu jenen Zeiten. Vielleicht stimmte ihre kleine Scout sie nachdenklich und gab ihr einen Grund zu zögern. Vielleicht vergrößerte Chang den Abstand zwischen ihnen nicht nur deshalb, weil er jünger und schneller war als Carson, sondern weil sie unterbewusst nicht riskieren wollte, ihm zu nahe zu kommen und Scout ohne Mutter aufwachsen zu
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