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Der Schoepfer

Der Schoepfer

Titel: Der Schoepfer
Autoren: Dean Koontz
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lassen.
    Auch wenn sie danach lechzte, es zu leugnen, bestand die Möglichkeit, dass sie nicht das Zeug dazu hatte, gleichzeitig Mutter und Privatdetektiv zu sein. Vielleicht eignete sie sich, nachdem sie das hübscheste Baby auf dem Planeten zur Welt gebracht hatte, in Zukunft besser dafür, Hintern in Windeln zu packen, als ihnen Tritte zu verpassen.
    Michael, der immer noch rechts neben ihr war, sprintete jetzt los, hängte sie ab und hielt mit Chang Schritt. Als sie Partner bei der Mordkommission des NOPD gewesen waren, war sie immer schneller als Michael gewesen, ob im Auto oder zu Fuß, und sie war zuversichtlich gewesen, jeden Täter, der jemals geboren worden war, zur Strecke bringen zu können.
    Jetzt trottete sie lahmarschig vor sich hin, ihr Herz raste schneller als ihre Füße, und ihre Beine waren schwer. Die bleierne Schwere in ihrem Unterleib und der beengende Druck nach oben auf die Lunge indes waren vielleicht nicht einmal akute Symptome, sondern nur eine Erinnerung an ein fortgeschrittenes Stadium der Schwangerschaft und eine Ermahnung, an ihre mütterlichen Pflichten zu denken.
    Sie war klaglos häuslich geworden, eines dieser kleinen Weibchen, die hoffnungslos in ihr Baby vernarrt waren und weniger mit ihrem Gehirn als mit ihrem Herzen dachten, und sie war vorsichtig, wo sie früher furchtlos gewesen war. Die Erkenntnis, dass das Schicksal ihre Tochter als Geisel festhielt und sie niemals herausgeben würde, hatte sie unterwürfig werden lassen; es forderte ein Lösegeld in Form von Sorgen und Besonnenheit, zahlbar bis ans Ende aller Zeiten in täglichen, wenn nicht gar stündlichen Raten. Am Ende würde sie, wenn sie zu zaghaft und kleinmütig war, noch feige werden.
    »Scheiß drauf«, sagte sie, und als Chang um die Ecke des nächstgelegenen Lagerhauses bog, rannte Carson auf das Gebäude zu und hängte Michael mit einem forschen Sprint ab.
    Mit dem Rücken an der Wellblechwand und der Pistole, deren Mündung auf den Himmel gerichtet war, in beiden Händen, zögerte Carson, aber nicht etwa wegen ihres kleinen Mädchens, sondern weil es ihr – ob Mutter oder nicht – widerstrebte, sich aus geringer Entfernung eine Kugel ins Gesicht schießen zu lassen. Sie konnte hören, dass Michael sich ihr von hinten näherte, aber die Schritte des fliehenden Chang konnte sie nicht hören.
    Carson kam jetzt nicht mehr in den Genuss des Vorteils, in Dunkelheit gehüllt zu sein. Die Sicherheitslampen warfen breite Lichtkegel auf den Teer in der unmittelbaren Umgebung der Halle.
    Sie ließ die Mündung sinken und hielt die durchgedrückten Arme gerade vor sich. Geduckt bog sie schnell um die Ecke der Halle. Ihre Augen und ihre Waffe bewegten sich im Einklang, vollkommen aufeinander abgestimmt, als sie von rechts nach links die Gegend absuchte, vom offenen Gelände bis hin zur Wand der Lagerhalle.
    Knapp zwanzig Meter vor ihr rannte Chang im Schatten am Rande der Lichtkegel entlang, wo die Dunkelheit der Nacht ihn erwartete.
    Carson konnte ihm nicht in den Rücken schießen. Sie musste ihn schnappen, ihm eins überziehen – oder ihm nachsetzen, bis er sich umdrehte, einen Schuss abgab und ihr ein legales Ziel bot.
    Michael erreichte sie, aber sie war nicht mehr dazu aufgelegt, ihm als reine Rückendeckung zu dienen.
    Obwohl er durch die Einkaufstüte, die höchstwahrscheinlich voller Geld war, und den Aktenkoffer mit den Geschäftsgeheimnissen behindert wurde, die Brockman ihm hatte verkaufen wollen, drohte ihnen Chang zu entkommen. Das durfte Carson nicht zulassen. Er hatte Schüsse auf Michael und sie abgegeben. Er hatte auf sie geschossen. Zweimal. Er hatte versucht, Scout zur Vollwaise zu machen. Dieser Dreckskerl.
    Mit der Zuversicht eines Panthers auf der Fährte einer ermatteten Gazelle nahm Carson die Verfolgung auf.
    6.
    Rafael Jesus Jarmillo, der gewählte und beliebte Polizeichef von Rainbow Falls, war nicht für die Nachtschicht eingeteilt worden, da er schon vor mehr als zwanzig Jahren bei der Polizei angefangen hatte. An jenem Oktobermorgen erschien er vor Tagesanbruch zur Arbeit, weil er vor zwölf Uhr mittags viel zu erledigen hatte.
    Obwohl keine Krise ausgebrochen war, überraschte es den wachhabenden Beamten Sergeant Seth Rapp und die Einsatzleiterin Valerie Corsair nicht, den Chef zu sehen. Ohne ein Wort verließ Rapp seinen Posten am Empfangsschalter und folgte Jarmillo durch den menschenleeren Untersuchungsraum und einen Flur, an dem diverse Büros im Dunkeln lagen, zu der Garage, in der
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