Der Schoepfer
Anweisungen und nahmen auf den Pritschen an der Wand und auf dem Fußboden Platz, von Angst, Grauen und Seelenqualen erfüllt und doch gefügig.
Es war unnötig, die Zellentüren abzuschließen. Sergeant Rapp schloss sie trotzdem ab.
Nachdem sie ins Erdgeschoss zurückgekehrt waren, begaben sich der Polizeichef und der Sergeant in den Flügel, der die sechs kleinen Zellen enthielt. Dort waren derzeit zwei Gefangene untergebracht. Der Polizeichef weckte beide.
Der erste, ein Landstreicher namens Conway Lyss, war in einem geschlossenen Güterwaggon in die Stadt gekommen und dort geblieben, um in Häuser einzubrechen. Bei seinem dritten Einbruch war er geschnappt worden.
Mit seinen fünfundvierzig Jahren sah Lyss aus wie sechzig – wenn man davon ausging, dass Siebzigjährige heute wie Sechzigjährige aussahen. Er war so mager, dass er fast schon ausgemergelt wirkte, und hatte sprödes graues Haar, Haut wie Leder, das mit der Zeit Risse bekommen hatte, große Ohren, die so unförmig waren wie gründlich durchgekaute Rohlederknabbereien für Hunde, graue Zähne und brüchige gelbe Fingernägel. Er sah aus wie ein Gebilde aus Knorpel, Horn und Dörrfleisch, das bis zur völligen Austrocknung dehydriert war. Aber seine Augen waren meerblau und wässrig, und in ihnen lagen Verschlagenheit und Berechnung und ein niemals schlafender Wille zum Betrug.
Der zweite Gefangene war Norman O’Bannon, den die Einheimischen aus Gründen, die mit der Zeit in Vergessenheit geraten waren, Nummy nannten. Nummy war dreißig Jahre alt und hatte einen IQ unter achtzig. Er war eine Frohnatur, ein bisschen pummelig und hatte ein rundes sommersprossiges Gesicht, und er war nicht etwa infolge eines Verbrechens, das er begangen hatte, über Nacht hier festgehalten worden, sondern, ganz im Gegenteil, zu seinem Schutz.
Der neue Polizeichef Jarmillo hatte nichts für Nummy O’Bannon übrig, und er hatte auch nicht die Absicht, ihn vor irgendetwas zu beschützen. Ganz im Gegenteil.
Sergeant Rapp schloss beide Zellen auf und begleitete die beiden Gefangenen gemeinsam mit dem Polizeichef in den Keller.
Conway Lyss meckerte auf dem Weg ins untere Geschoss unablässig und murrte eine Frage nach der anderen. Weder der Polizeichef noch der Sergeant ging auf eine seiner Fragen ein.
Nummy lächelte auf dem kurzen Weg vom ersten bis zum letzten Moment und sagte nichts. Für ihn war jede Veränderung potenziell der Beginn eines Abenteuers. Und er vertraute Polizeichef Jarmillo.
Lyss trug einen orangefarbenen Gefängnisoverall. Nummy trug Jeans und ein Sweatshirt. Beide Männer schlurften, einer, weil er restlos ausgebrannt war und seine begrenzten Energien darauf verwendete, Ränke zu schmieden und sich zu beschweren, der andere, weil sich seine geistige Beschränktheit beeinträchtigend auf seine Motorik auswirkte.
Auf dem Weg zu der dritten unterirdischen Zelle zeigte Lyss wenig Interesse an den Personen, die in den beiden ersten vergitterten Zellen saßen. Seine Konzentration richtete sich voll und ganz auf den Polizeichef, dessen Weigerung, seine Fragen zu beantworten, ihn in Wut versetzte.
Der Polizeichef kannte Leute von der Sorte, zu der der Landstreicher gehörte: ein Misanthrop, ein Menschenverächter, der sich nur dann für andere Leute interessierte, wenn er sich etwas von ihnen versprach. Lyss konnte einen ganzen Tag in einer betriebsamen Stadt verbringen und nur fünf oder sechs Leute wirklich wahrnehmen, nämlich diejenigen, die am leichtesten zu übertölpeln waren, die anfälligsten Opfer, die Dummköpfe, die ihm zwanzig Dollar geben würden, obwohl er nur einen einzigen Dollar von ihnen zu schnorren versuchte, die Ahnungslosen, denen er unbemerkt das Portemonnaie aus der Tasche ziehen konnte, obwohl er nur ein zweitklassiger Taschendieb war.
Nummy interessierte sich für die neunzehn stillen Personen, bis sein Blick auf die barbusige Bibliothekarin fiel, woraufhin sein Gesicht so rot anlief, als sei von einem Ohr bis zum anderen ein ganzes Geflecht von Gefäßen geplatzt. Danach hielt er den Blick auf den Boden gesenkt.
Als der Sergeant den Landstreicher und Nummy in der dritten Zelle einschloss, umklammerte Conway Lyss zwei Gitterstäbe mit seinen Händen und erhob die Stimme. »Ich verlange einen Anwalt.«
»Sie kriegen keinen«, sagte Polizeichef Jarmillo.
»Ich habe ein Anrecht auf einen Anwalt!«, behauptete Lyss. »Ich bin amerikanischer Staatsbürger!«
»Nicht mehr.«
»Was? Was soll das heißen – nicht
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