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Der Schimmer des Ledger Kale

Der Schimmer des Ledger Kale

Titel: Der Schimmer des Ledger Kale
Autoren: Ingrid Law
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Die Zwillinge schoben es auf ihre Trauer, als sie aus Versehen eine Handvoll Pfeffer auf Großtante Jules herabregnen ließen. Aber niemand schien sonderlich betrübt zu sein, als die alte Dame dreimal nieste und auf ihre nächste Zeitreise verschwand. Und als sie fünfzehn Minuten später, immer noch Pfeffer aus ihren Haaren schüttelnd, wiederauftauchte und dabei gegen Rocket prallte, war sie ganz rot im Gesicht vor lauter Eile, rasch wieder Anschluss zu uns zu finden.
    Rocket war immer noch glatt rasiert, aber irgendwas an ihm wirkte anders als sonst. Er hatte nicht mehr dauernd die Hände tief in den Hosentaschen vergraben oder unter die Arme geklemmt. Ja, er sah selbstbewusst aus – am Ende war er doch noch erwachsen geworden.
    Rocket und Winona waren die Nacht durchgefahren, um aus Gold Beach rechtzeitig wieder in Wyoming zu sein, denn sie waren zusammen die Küste von Oregon entlanggetourt. Ich hatte mich gefreut, als ich von Rockets Reise erfuhr. Endlich war es ihm geglückt, sich von der Ranch zu lösen, und er hatte sich eine super Reisegefährtin ausgesucht.
    Nun standen Rocket und Winona im Haus und unterhielten sich mit Fish und Mellie und Mibs und Will und einer anderen Frau mit blonden Haaren und einem langen Pony. Sie sah aus wie eine ältere Version von dem Mädchen mit dem Kaugummi, dessen Foto früher am Armaturenbrett von Rockets Pick-up geklebt hatte.
    »Gypsy!« Ich hielt meine Cousine am Ärmel fest, als sie mit einem Teller voller Kekse mit bunten Zuckerstreuseln drauf vorbeigetanzt kam. »Ist das Bobbi Meeks?« Ich zeigte auf die blonde Frau, die bei den anderen stand. Gypsy blinzelte mit gerunzelter Stirn durch ihre funkelnde Brille und schob sie schließlich bis zur Nasenspitze herunter, um über den Plastikrand zu spähen.
    »Ja, stimmt! Rocket war mit ihr zusammen, als ich noch klein war, aber sie ist inzwischen verheiratet. Sie war nicht auf Fishs Hochzeit, weil ihre kleine Tochter krank war. Da hinten! Das ist sie!« Ich beobachtete, wie Bobbi sich bückte, um ein kleines Mädchen hochzuheben, das sich an ihr Bein geklammert und in den Falten ihres Rocks versteckt hatte. Bobbi setzte sich ihre Tochter auf die Hüfte, rieb ihr über den Rücken und lachte mit Rocket und Winona, während die anderen beiden Paare zur nächsten Gruppe weiterwanderten – wo Mibs errötend den neuen Diamanten an ihrem Ringfinger zeigte. Obwohl Bobbi auf der anderen Seite des Raums stand, konnte ich die weiße Narbe sehen, die sich wie ein explodierender Feuerwerkskörper über ihren Handrücken zog.
    »Du hast gesagt, Rocket müsste noch eine letzte Sache lernen, was das Beherrschen seines Schimmers angeht«, wandte ich mich an Onkel Autry, nachdem ich mich zu ihm gestellt hatte. »Das hat er jetzt ja wohl geschafft.«
    »Ja, nicht wahr?« Autry zwinkerte mir zu und drehte sich dann um, um Rocket zu beobachten, der gerade so tat, als würde er mit den Fingern die Nase von Bobbis Tochter klauen, woraufhin das kleine Mädchen zu kreischen und zu kichern begann. Ich sah, dass Rocket und Bobbi sich anlächelten wie alte Freunde und Rocket sich umdrehte, um Winona lachend auf die Haare zu küssen.
    »Ich glaube, er musste einfach lernen, ein paar Entscheidungen zu treffen«, sagte ich.
    Autry schaute wieder mich an und hob die Augenbrauen, um mich zum Weiterreden zu ermuntern.
    »Rocket hat sich entschieden, seine Angst abzulegen«, fuhr ich fort. Auf dem Gesicht meines Onkels breitete sich ein wissendes Grinsen aus, und der grüne Käfer an seiner Cowboykrawatte schüttelte in einem kleinen Tanz die Flügel aus. »Rocket hat die Entscheidung getroffen, zu sich zu stehen und in die Welt hinauszugehen. Und …« Ich zögerte und betrachtete noch mal die Narbe auf Bobbis Handrücken. »Und vielleicht hat er beschlossen, sich selbst einige Dinge zu verzeihen, die er nicht mit Absicht getan hat.« Ich nickte und hielt weiter meinen ältesten Cousin im Auge. »Und das ist gut so.«
    »Ja, und ob das gut ist, Ledge!« Autry klopfte mir auf den Rücken. »Und es wurde auch langsam Zeit. Ich brauchte nämlich Rockets Haus! Bei uns gehen jetzt die Forscher ein und aus! Entomologiestudenten aus dem ganzen Land geben sich hier die Klinke in die Hand; sie kommen aus Arizona, Illinois, Maryland, New York … Alle schwärmen für unsere Schmetterlinge!« Autry klopfte mir noch einmal auf den Rücken und zwinkerte mir zu.
    Während die Erwachsenen drinnen aßen und sich unterhielten, flohen Tucker und Fedora nach draußen,
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