Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schimmer des Ledger Kale

Der Schimmer des Ledger Kale

Titel: Der Schimmer des Ledger Kale
Autoren: Ingrid Law
Vom Netzwerk:
herschleifend, auf das Insektenhaus zu. Fedora flitzte voraus – die Schnelligkeitsgene der Familie Kale machten sich offenbar bemerkbar. Ich lächelte, trotz allem. Wenn Dad das erst sah! Fes Füße wirbelten so schnell durch die Luft, dass man sie nur noch verschwommen sah – wie bei Road Runner!
    »Das ist doch Wahnsinn, Daddy!« Sarah Jane hängte sich an ihren Vater. »Hier gibt es so großartige Dinge. Wunderschöne Dinge. Willst du etwa die schlimmste aller Schlagzeilen bekommen?«
    Cabot fiel die Kinnlade bis auf die Brust, seine Schultern hoben und senkten sich. Ich blieb stehen und wartete ab, was er tun würde. Opa und Samson beobachteten ihn auch und warteten ebenfalls ab. Bitsy hörte auf zu bellen. Cabots Arbeiter scharrten mit den Füßen und schoben ihre Schutzhelme in den Nacken. Alle Augen ruhten auf Noble Cabot.
    Mr Cabot stand so lange reglos da, dass ich das Insektenhaus schon beinahe gerettet glaubte. Ich erwartete, dass er jeden Moment die Hände in die Luft werfen und sich umdrehen und gehen würde. Aber stattdessen hob er seinen Stock und senkte ihn in einer schnellen, schneidenden Bewegung wieder.
    Er hatte seinen Männern das Zeichen zum Weitermachen gegeben.
    Die Arbeiter rückten ihre Helme zurecht und ließen ihre Maschinen an. Das ohrenbetäubende Rattern von Kettenfahrzeugen, lauten Motoren und Hydraulikzylindern hämmerte gegen meine Trommelfelle. Die Männer des Abrisstrupps bewegten sich mit grimmigen Mienen auf das Insektenhaus zu, und der Lärm ihrer schweren Geräte übertönte die Rufe der immer näher kommenden Zwillinge und SJs Schreie.
    Vielleicht konnte Sarah Jane ihren Vater ja auf die gleiche Weise ablenken, wie es uns bei Hedda gelungen war. Ich langte in meine Hosentasche und zog die losen Blätter von SJs Notizblock heraus, doch der Wind wehte sie mir sofort aus der Hand. Aber ich begriff schnell, dass das auch nichts mehr ausmachte. Wir hatten nämlich keinen Stift.
    Als die Planierraupen und Bagger langsam auf das Insektenhaus zurollten, setzte Opa seine letzten Kraftreserven – Samsons letzte Kraftreserven – dazu ein, Erde und Gestein noch ein Mal in Bewegung zu setzen und ein halbes Dutzend riesiger Felsblöcke aus der Erde zu wühlen, um den Abrissfahrzeugen den Weg zu versperren.
    Bitsy bellte wieder. Aber in dem ohrenbetäubenden Lärmen und Poltern, das entstand, als die Planierraupen Opas Felsblöcke beiseiteschoben, gingen ihr Gekläff und ihr Geheul vollkommen unter.
    Nur wenige Sekunden später fiel Opa in sich zusammen wie ein leerer Jutesack.
    Samson ließ Bitsy los, um Opa aufzufangen. Der große schwarze Hund stürzte direkt auf Mr Cabot zu, welcher gerade seine liebe Mühe damit hatte, Sarah Jane in eins der Autos zu schieben. Offenbar wollte er sie von diesem Ort wegbringen, der sich bald in ein gefährliches Chaos aus herabstürzendem Holz, Stahl und Glas und frei herumfliegenden Insekten verwandeln würde. Während Bitsy nach Cabots Hosenbeinen schnappte, rannte ich zu Samson, um ihm dabei zu helfen, Opa vor einer herannahenden Planierraupe zu retten.
    Ich schaute genau zur rechten Zeit hoch, um mitzubekommen, wie Gypsy ihren Kopf aus der Tür des Insektenhauses streckte. Ein riesiger, blaugrün schimmernder Schmetterling fuhr heimlich auf ihren Locken spazieren. Seltsam, dass Gypsy es nicht bemerkte. Wo sie normalerweise doch alles sah.
    Als sie die schweren, auf das Insektenhaus zurollenden Fahrzeuge erspähte, schlüpfte Gypsy wieder hinein – doch da hatte der große Schmetterling bereits die Flucht ergriffen. Langsam und gleichmäßig klappte er die Flügel auf und zu; es war wie ein Einatmen … und Ausatmen. Meine eigene Atmung verlangsamte sich, während ich den Riesenschmetterling bei seiner Landung auf dem Holzbalken über der äußeren Tür beobachtete. Er war toll. Ach was! Er war – hipp, hipp, hurra! – einfach wunderbar!
    Ich fluchte leise und wünschte mir, Gypsy wäre mit diesem Riesending von einem Schmetterling draußen geblieben. Aber Gypsy hatte Autry versprochen, auf die Alexandras aufzupassen – ganz gleich, was passierte. Und sie hielt sich daran. Dabei hätte sie ihre eigene Haut retten sollen.
    Opa war gestürzt. Und auch das Insektenhaus war kurz vorm Einstürzen. Samson und Bitsy hatten getan, was sie konnten. Jetzt war ich an der Reihe. Egal, ob ich es richtig machte oder falsch.
    Ich musste handeln.

35
    Jetzt stand mehr auf dem Spiel als das Insektenhaus. Mehr als Autrys Existenzgrundlage oder sein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher