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Der Schatz von Dongo

Der Schatz von Dongo

Titel: Der Schatz von Dongo
Autoren: A.E. Hotchner
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Lederschärpe, rot-weißer Gürtel, schwarze Breeches in
hohen, glänzend schwarzen Stiefeln, reich verzierter, am Gürtel
befestigter Dolch.
    Meine Augen hielt ich nach oben gerichtet, damit ich alles
sehen konnte, mein Kopf aber blieb gesenkt. Die Kapuze bot guten
Schutz, und so schlurfte ich in perfektem Rhythmus mit den
vorangehenden Fratres weiter. Trotzdem spürte ich den durchdringenden
Blick der Schwarzhemden, als wir das Portal durchschritten und
uns – fast wäre ich in überraschtem Erkennen
erstarrt – in einer genauen Kopie der Sala del Mappamondo,
Mussolinis Hauptquartier in Rom, befanden.
    Dröhnende Musik schlug uns entgegen: Beethovens Violinkonzert,
des Duces Lieblingsstück. Ich hatte im Palazzo Venezia in
Rom – wo wir 1945 vor unserer Abfahrt nach Como eine Konferenz
abhielten – die echte Sala del Mappamondo gesehen und mußte
zugeben, daß dies hier in allen – auch den
kleinsten – Details eine verblüffend getreue Nachbildung war:
ein riesiger Raum, beherrscht von Mussolinis schwerem, reichverziertem
Schreibtisch, der ganz am anderen Ende stand, der Fußboden aus
exquisitem Marmormosaik, hinter dem Schreibtisch ein großer Kamin mit
dreieckigem Fries darüber, im Dreieck ein Lorbeerkranz, geteilt von
einem Liktorenbündel, Cäsars Symbol römischer Macht, das von Mussolini
übernommen worden war. Rings an den Wänden schwere Marmorsäulen auf
hohen Barocksockeln.
    Und überall Mussolinis Besitztümer: seine Bücher, seine Geige,
Uniformen, Degen, die Fahnen und Standarten von seinen Palästen, Villen
und Automobilen, die Flaggen, die in seinen Umzügen mitgeführt wurden,
sein Sattel, schwer mit Silber beschlagen, sowie sein Reitzeug, seine
Jagdausrüstung und seine Büchsen, eine endlose Reihe von Präsenten, die
er von Herrschern anderer Länder erhalten hatte, insbesondere einige
Elfenbeinkostbarkeiten, vermutlich ein Geschenk Kaiser Haile Selassies,
Wandkarten aus Marmormosaik, die seine geographischen Triumphe zeigten.
Die Mosaiklandkarten schmückten die Seitenwände. An der Stirnwand, zu
beiden Seiten des Kamins und zwischen den Marmorsäulen, waren zwei
Mosaikszenen angebracht: die linke zeigte Mussolini an der Spitze
seiner Gefolgsleute beim Marsch auf Rom, durch den er zur Macht gelangt
war, die rechte zeigte den Duce in reich geschmückter Uniform,
schwarzer Tunika, die Brust voller Orden, in Heldenpose mit Adolf
Hitler.
    Während wir langsam durch den Raum auf eine Tür am anderen
Ende zuschlurften, kamen wir an einem Dutzend oder mehr Tischen vorbei,
auf denen die meisten der Tagebücher und Dokumente ausgestellt waren,
die zu dem verschwundenen Schatz gehörten.
    Es gab wohl schwerlich einen Aspekt in Mussolinis Leben, der
nicht auf die eine oder andere Weise in diesem Raum konserviert worden
war. Riesige Lederalben mit der Goldaufschrift ›Fotografia‹ deuteten
darauf hin, daß wichtige Ereignisse aus der Laufbahn des Duce darin
abgebildet waren.
    Wir näherten uns jetzt der hinteren Tür. Über ihr hing ein
großer, goldener Adler – vermutlich der Inhalt der Kiste vom
Mera-Ufer.
    Die Tür führte zu einer weiteren steilen Steintreppe, schmal,
dumpf, schlecht beleuchtet, und dann waren wir in einer Krypta.
Verblüffenderweise in einer Krypta. Unglaublicherweise in einer
kreisrunden, schatzfunkelnden Krypta mit niedriger Kuppeldecke. Der
Schatz. Da war er. Direkt vor meinen Augen: die goldene,
juwelenbesetzte Krone dieser bizarren, erschreckenden Krypta.
    Meine Augen wußten nicht, wohin sie zuerst schauen sollten. So
überwältigend, so kraß, so faszinierend war alles. Statt Beethoven
hörten wir jetzt Mussolinis eigene donnernde Stimme, Worte, die er vor
langer Zeit von irgendeinem Balkon herab über die Köpfe einer ihm wie
gebannt zuhörenden Menschenmenge hinweg gesprochen hatte.
    Beim Betreten der Krypta hoben die Mönche den Kopf, legten den
langsamen, schlurfenden Gang ab und formierten sich, Schulter an
Schulter, in Längsreihen auf dem freien Platz vor dem Altar. Rechts und
links vom Altar, den Zacharianern zugewandt, waren Hoffmanns
Schwarzhemden aufmarschiert. Etwa hundert. Einer wie der andere. In
Gliedern angetreten. In Habachtstellung. Augen geradeaus. Zwei schwarze
Rechtecke.
    Rings an den Wänden, einer am anderen, die Marmorsarkophage
von Mussolinis Henkersknechten: seine Minister und Generäle, die in
Dongo und Mailand hingerichtet worden waren. Ihre Leichen ruhten in
reichverzierten Steinsärgen, aber die Männer waren nicht in
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