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Der Schatz von Dongo

Der Schatz von Dongo

Titel: Der Schatz von Dongo
Autoren: A.E. Hotchner
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würde
in meinen Gedanken weiterleben, und ich wußte genau, daß es mir
ungeheuer schwerfallen würde, ihn in meinem Geist zu beerdigen.
    Der dicke Bestattungsunternehmer sagte: ›Ich dachte, der Sarg
sollte nicht mehr geöffnet werden.‹ Und dann sagte er: ›Na schön, ich
will mal nachsehen, ob wir ihn frisiert und hergerichtet haben.‹ Ich
blieb vor der Tür, bis er wieder herauskam, mich holte und mich dann am
Sarg allein ließ. Dad sah genau so aus, wie er vor seiner Krankheit
ausgesehen hatte. Seine Wangen waren voll und rosig. Aber er war tot.
Jetzt konnte ich sehen, daß er tot war. Mit dem
Finger berührte ich seine Stirn. Ich weiß noch heute, was für ein
Gefühl das war. Er war wirklich tot, ich hatte mich davon überzeugt,
und nun hatte ich es in meinem Innern begriffen.«
    »Und wenn du siehst, hörst und riechst, was in Santo Zacharia
los ist, wenn du den Schatz sehen kannst – was dann?«
    »Das weiß ich nicht. Aber ich muß ihn
sehen. Und den Mann, der mir den Dolchstoß in den Rücken versetzt hat.«
    »Und das Risiko? Du weißt genau; was Hoffmann angeht, bist du
eine billige Kerze – einmal pusten, und du verlischst.«
    »Das ist mir klar, aber meine Wünsche waren immer stärker als
meine Angst. Wenn dem nicht so wäre, dann hätte ich dich jetzt nicht.«
    »Wünsche – wonach, Paul? Wie sind denn, um Himmels
willen, deine Wertmaßstäbe? Du scheinst nur danach zu streben, dich
durch den Schatz und durch Geld für deine verlorene Zeit und deine
Leiden zu entschädigen. Aber was ist mit all den vielen wichtigen
Dingen, die du entbehren mußtest? Die ungehörte Musik, die ungelesenen
Bücher, die ungesehenen Filme, die Theaterstücke, die Kunst, die Bälle
und Vorträge? Und was ist mit den Kindern – vielleicht sogar
deinen Kindern –, denen du nicht beim Spielen zugesehen hast?
Deine Umwelt hast du nicht einmal mit einem einzigen Wort erwähnt,
nicht ein einziges Mal habe ich dich von etwas anderem reden hören als
von der finanziellen Vergeltung für das dir angetane Unrecht. Wie aber
wäre es denn, wenn du mit Liebe und Fürsorge entschädigt würdest, mit
der Möglichkeit, etwas aufzubauen, das dir gehört – wirklich
dir? Du siehst doch, was wir beide haben, du und ich. Wir können
überall hingehen und wunderbar leben.«
    »Wovon?«
    »Das weiß ich jetzt noch nicht, aber du willst wohl Garantien,
wie? Warum? Kannst du nicht einfach glauben? Kannst du im Leben nicht
nach anderen Werten suchen als nach Goldstücken, die du in einer
Schatzkammer aufstapelst? Du sprichst vom Schreiben. Dafür scheinst du
dich zu interessieren, jedenfalls ist es das einzige, wovon du
gesprochen hast. Daß du wieder schreiben willst. Wie ist es denn damit?
Ich könnte mir vorstellen, daß andere Schriftsteller, wenn sie in
deinem Alter sind, soviel vom Material ihres Lebens verbraucht
haben …«
    »Was für Material? Glaubst du, ich habe gelebt und Erfahrungen
gesammelt? Ich war zwanzig Jahre lang tot!«
    »Aber du mußt an dich glauben! Warum kannst du nicht an Paul
Selwyn glauben? Wir könnten doch alles haben – es gehört uns
ja eigentlich schon –, aber du mußt den Berg hinauf nach Santo
Zacharia gehen und Selbstmord begehen. Warum nur? Warum?«
    »Weil ich den Sarg öffnen, die Leiche berühren und mich
vergewissern will, daß sie auch tatsächlich tot ist.«
    »Du hast es mir versprochen, Paul.«
    »Ich weiß.«
    »Ich habe mich auf dein Wort verlassen.«
    »Ich weiß.«
    »Paul … es ist nicht nur das Risiko oder eine
Grundsatzfrage. Es ist auch eine schwere Kränkung.«
    »Kränkung? Für wen?«
    »Für mich. Du könntest mich haben, mich und meine Liebe, und
unser schönes Leben, aber du stößt alles zurück.«
    »Nein … Natürlich nicht! Ich bitte dich nur: Laß
mich. Nur noch dieses eine Mal, weil es für mich so furchtbar wichtig
ist. Dann ist alles vorbei, und wir reisen ab und machen es uns schön.«
    »Tust du nicht das gleiche wie Ted und Bis? Den Schatz, den
Schatz – um jeden Preis! War Hoffmann anders? Paul, du lebst
noch immer im Jahre 1945. Damals waren nur materielle Dinge wichtig,
und so ist es bei dir. Aber heute ist es anders. Willst du denn nicht in der heutigen Welt leben.«
    »Mach mir doch nicht vor, daß heute die Zeiten nicht ebenso
materialistisch sind wie vor zwanzig Jahren! Ach was, mehr sogar noch!
Dieses ist eine Welt des Habens. Das hat man mir
beigebracht. Ich sehe es überall, wohin ich auch blicke.«
    »Du siehst, was du sehen willst.
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