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Der Schatz von Dongo

Der Schatz von Dongo

Titel: Der Schatz von Dongo
Autoren: A.E. Hotchner
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der
traditionellen Totenpose – auf dem Sargdeckel
liegend – abgebildet, sondern in lebendigen Stellungen,
aufrecht an der Wand über ihren Ruhestätten: einige sitzend, andere
stehend, einander zuwinkend, einander die Hände reichend, General
Cadorna auf einem steigenden Pferd, Marschall Graziani mit
geschwungenem Säbel. Und unter den Abbildern waren mit großen
Buchstaben die Namen in den Stein gehauen:

MEZZASOM
BOMBACCI
PAVOLINI
PETACCI
ZERBINO
ROMANO
LIVE RANI
PORTA
GATTI
COPPOLO
DAQUANNO
NUDI
CASALINUOVO
SALUSTRI
HINTERMAYER
STARACE
FARINCCI
GRAZIANI
BARRACU
CADORNA
CALISTRI
    Mussolinis Stimme hatte jetzt ihre volle
Lautstärke erreicht, das letzte Crescendo, bombastisch, energiegeladen,
die Worte an sich ohne große Bedeutung, wichtig nur der hämmernde
Rhythmus, der sich nach Beethoven-Vorbild zum Höhepunkt steigerte. Dies
war die Genialität, die er mit Hitler gemeinsam hatte, diese
Kesselpauken und Blasakkorde von donnernden Schmähungen, mit denen er
seine Zuhörer zu imaginären Höhen emporriß, das Blut der Lauschenden
zum Wallen brachte, während sein Gesicht vom eigenen siedenden Blut
dunkelrot wurde – diese Hypnose, dieses Aufzwingen der
Gedanken, diese zündenden Emotionen, mit denen er seine Anhänger
ansteckte. Und mit all dem bombardierte er uns jetzt in dieser
Mausoleumsrotunde. Nichts davon war verlorengegangen, alles war da, das
Hämmern, der Trommelwirbel der Worte, der Rhythmus des aufrauschenden
Finales, dann das Becken, ein letzter, verzögerter Akkord, ein
animalischer Triumphschrei nach dem Vaterland, nach schicksalhafter
Größe, nach der Größe des Vaterlandes, Vaterland, und dann, rings um
mich her, die Fratres unisono: »Duce! Duce! Duce!«
    Es war der einzige Bruch in der Mauer des Schweigens. Jeden
Tag um Mitternacht durften die Mönche von Santo Zacharia ihre Zunge
lösen, durften es hier bei dieser Messe für Mussolinis Seele, die hier
in diesem Heiligtum von Luigi Hoffmann am Leben erhalten wurde. Die
Fratres knieten, dem Altar zugewandt, mit erhobenen Köpfen, während
Pater Piccionastro im Seidengewand der hohen Messe, unter dem Schwingen
alter, silberner Weihrauchgefäße, die lateinischen Worte zur Rettung
der Seele anstimmte. Als er eingetreten war, waren die Mönche
niedergekniet, hatten die gefalteten Hände einmal an die Stirn geführt
und dann gemeinsam ein Kreuz geschlagen – nicht an ihrem
Körper, sondern in der Luft, in der die Seele Mussolinis schwebte.
    Der Altar: massives Gold. Ich konnte die Anzahl der Barren,
die dazu verwendet worden waren, nicht einmal annähernd schätzen. Und
direkt darüber wölbte sich, wie ein Fallschirm, die Decke, über und
über besetzt mit Mussolinis Gold: Goldmünzen, die Eheringe der
Italienerinnen, religiöse Anhänger aus Gold, Goldmedaillen –
ein glitzernder Baldachin, der seinen blendenden, goldenen Schimmer auf
den Altar und die glasumschlossene Gestalt warf, die darauf ruhte. Die
Ecken des gläsernen Sarkophags waren mit Onyx verstärkt, und drinnen
lag, mumifiziert, im Vakuum konserviert, mit schwarzem Gesicht, die
Haut an den Knochen klebend, aber das vorspringende Kinn und die
wuchtige Stirn unverkennbar: Benito Mussolini. In voller Uniform. Mit
blankpolierten Stiefeln. Die Hände schwarz, mit grau-durchscheinenden
Nägeln, die Arme zu den Seiten des Körpers ausgestreckt. Zwischen den
leicht geöffneten Lippen ein schmaler, weiß blitzender Streifen Zähne.
Mit eingesunkenen Augenhöhlen. Das Vakuum im Glassarg für den Körper,
was die allnächtliche Messe für die Seele zu sein versuchte.
    Drei Seiten des Sarkophags sowie der Deckel bestanden aus
Glas, die Rückseite jedoch war massiv, und in diese Rückwand waren die
Juwelen eingelassen. Alle Juwelen. Hintergrund für Mussolinis Leiche,
warfen sie, dicht an dicht, ihren lebendigen Glanz auf den toten
Körper: die herrlichen Juwelen des Schatzes von Dongo. Oben Gold, innen
Juwelen, deren leuchtende Farben sich auf der toten, schwarzen Haut
vermischten.
    Im Fuß des Altars, dicht unter dem Sarg, war auf italienisch
eine Inschrift eingelassen: ›Hier ruht eines der intelligentesten
Tiere, die jemals auf dem Antlitz der Erde gewandelt sind.‹ Der
Nachruf, den Mussolini sich selber geschrieben hatte.
    Auf der Stufe unter dieser Inschrift stand ein schlichter
Steinsarkophag mit dem Namen ›Clara Petacci‹.
    Rechts und links von Piccionastro schwangen zwei Ministranten
silberne Weihrauchgefäße. Pater Piccionastro kniete nieder.
    Piccionastro: »Im Namen
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