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Der Schatten von Thot

Der Schatten von Thot

Titel: Der Schatten von Thot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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der Brille sah sie, dass das Sonnenlicht keineswegs unkontrolliert ins Innere des Turmes flutete, sondern gelenkt und gebündelt wurde. Die Spiegel waren so befestigt, dass sie das eintreffende Licht einfingen, bündelten und wieder reflektierten, weiter zum nächsten Spiegel. Auf diese Weise hatte sich ein Geflecht blendend greller Strahlen im Schacht gebildet, die umso intensiver und stärker gebündelt wurden, je tiefer sie kamen. Zahllose Spiegel waren es, in denen sich das eintreffende Sonnenlicht konzentrierte – und vom untersten Reflektor aus stach ein gebündelter, gelblich weißer Lichtstrahl in die Statue von Thot.
    »Das Feuer des Re! Das Feuer des Re!«, rief Mortimer Laydon mit weit aufgerissenen, von der Helligkeit tränenden Augen.
    Im nächsten Moment brach tödliches Verderben aus dem Ibishaupt hervor.
    Denn die Augen der Statue, in denen Sarah vorhin noch ein feindseliges Funkeln erkannt zu haben glaubte, schienen plötzlich zum Leben zu erwachen; wie Rubine leuchteten sie, und einen Lidschlag später stachen zwei in tiefem Rot leuchtende Strahlen aus Thots Augen.
    Die Schäfte aus gebündeltem Licht zuckten zu Boden und ereilten die Schergen Laydons, durchbohrten die Vermummten, als stellten Fleisch und Knochen für sie kein Hindernis dar.
    Die Männer brüllten vor Furcht und Schmerz. Zischender Dampf stieg auf, und der ekelerregende Geruch von verbranntem Fleisch erfüllte die Kammer. Die Kleider der Männer gingen in Flammen auf, und einen bizarren Tanz vollführend, mutierten die Vermummten innerhalb von Sekunden zu grotesken Zerrbildern des Lebens, den Mumien ähnlich, auf die Sarah und Kamal gestoßen waren.
    Während Sarah von Entsetzen geschüttelt wurde, verfiel Mortimer Laydon in hysterisches Gelächter. »Das Feuer des Re! Das Feuer des Re«, rief er immerzu. »Es ist entfesselt…!«
    Entfesselt waren die Todesstrahlen aus den Augen der Statue in der Tat, denn von einem unbekannten Mechanismus bewegt, wanderten sie nach verrichtetem Mordwerk an den Wänden entlang, setzten die Köcher mit den Schriftrollen in Brand und hinterließen dabei Furchen geschmolzenen Gesteins. Ein Donnern und Rumoren erfüllte die heiße Luft, das nicht nur aus dem Inneren des Berges, sondern aus den Tiefen der Erde zu kommen schien. Die Hitze in der Kammer war inzwischen fast unerträglich geworden. Die Spiegel an den Schachtwänden drohten sich unter den Erdstößen zu lösen. Risse waren vom Boden der Kammer an den Wänden emporgeklettert und reichten hinauf bis zur Öffnung.
    Nun schien auch Laydon zu dämmern, welche Höllenmaschinerie er in Gang gesetzt hatte.
    »Abstellen, sofort!«, brüllte er aus Leibeskräften. »Los, ihr Idioten! Helft mir…!«
    Der Zuruf hatte seinen Untergebenen gegolten, die in der Vorkammer warteten. Einige von ihnen eilten herbei, um dem Willen ihres Anführers nachzukommen – aber kaum hatten sie die Turmkammer betreten, widerfuhr ihnen dasselbe grässliche Schicksal wie ihren Kumpanen.
    Sarah, die noch immer reglos vor Entsetzen dastand, wäre um ein Haar von einer der Todesstrahlen erfasst worden. Während Laydons Schergen im gleißenden Licht der Vernichtung vergingen, wurde ihr klar, dass Kamal und sie in Bewegung bleiben mussten, wenn sie nicht ebenfalls als Mumien enden wollten.
    Während Laydon unter bitteren Verwünschungen wahllos Schriftrollen aus den Wänden riss, als fände er dort eine Antwort, wie das Inferno beendet werden könnte, flüchteten sich Sarah und Kamal an den Fuß der Statue, wohin die Strahlen als Einziges nicht zu dringen schienen. Dabei fiel ihnen auf, dass auf dem vorhin noch unbeschriebenen Papyrus jetzt deutliche Schriftzeichen prangten. Das gleißende Licht und die Hitze hatten sie zum Vorschein gebracht.
    Da die Hieroglyphen dieses Mal keine Geheimzeichen enthielten, konnte Sarah sie problemlos entziffern:
     
    Zur Unzeit wurde betreten die Kammer der Geheimnisse,
    noch sind die Menschen nicht reif für unser Wissen.
    Drum vernichtet der Sonne rote Glut,
    was Thots Schatten hat verborgen.
     
    In diesem Moment durchlief eine Erschütterung den Grund des Schachtes, die den Berg in seinen Grundfesten erbeben ließ. Risse bildeten sich im Boden und in den Wänden, während die tödlichen Strahlen nach wie vor wild um sich schnitten und sich dabei noch zu intensivieren schienen.
    »Die Selbstzerstörung!«, rief Kamal, erleichtert und bestürzt zugleich. »Sie wurde in Gang gesetzt!«
    »Nein! Nein!«, schrie Laydon, während er wie besessen

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