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Der Schatten des Horus

Der Schatten des Horus

Titel: Der Schatten des Horus
Autoren: Thilo P. Lassak
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einem Unbekannten ein fröhliches Schwätzchen zu halten. Der Taxifahrer klärte sie über den Grund für die ausgelassene Stimmung auf: »Ramadan fertig! Leute dürfen wieder essen, auch wenn Sonne scheint!«
    Sid nickte. Ramadan, der islamische Fastenmonat. Angewidert sah er aus dem Fenster. Der ganze Frohsinn machte ihn krank. Wie konnten die Leute feiern, wenn die Rückkehr eines schrecklichen Dämons bevorstand?
    Vor dem Chufu Hotel hielt der Wagen an. Rascal wollte dem Fahrer ein paar Dollar in die Hand drücken, aber er lehnte höflich ab. »Monsieur schon bezahlt!«, sagte er. Rascal ließ das Geld wieder in ihrem karierten Minirock verschwinden und half Sid aus dem tiefen Sitz. Mit einem Stöhnen richtete er sich auf. Sein Körper fühlte sich an, als sei er unter eine Dampfwalze geraten. Ode r … von einer Pyramide gesprungen.
    Der bärtige Schlepper, der die beiden Touristen wohl für leichte Beute hielt und ihnen very old papyrus andrehen wollte, bekam seinen vollen Frust ab.
    »Lass uns in Ruhe!«, fauchte Sid. Ungerührt wandte sich der Verkäufer einem neuen Opfer zu. Auf Rascal gestützt erreichte Sid den klapprigen Fahrstuhl, quietschend arbeitete sich die Kabine bis in den sechsten Stock. Die Motten umkreisten das Neonschild vor dem Eingang. Der Mann an der Rezeption betrachtete sie neugierig, als sie in den Gang zu ihrem Zimmer verschwanden, sparte sich aber einen Kommentar. Sicherlich hatte er schon seltsamere Dinge erlebt, als humpelnde amerikanische Touristen.
    »Hatte der nicht gestern noch einen Vollbart?«, murmelte Sid.
    Rascal zuckte mit den Schultern. »Glaub schon. Hat sicher was mit dem Ramadan zu tun. Vielleicht hat er die Fastenzeit nicht durchgehalten und tut so Buße.«
    Als sie endlich ihr Zimmer erreicht hatten, ließ sich Sid auf das weiche Bett fallen. Die Matratze bog sich unter seinem Gewicht fast bis zu den Dielen. Er schloss die Augen und schnaufte tief durch. Nur ein paar Stunden war es her, dass er den Raum und seine dösende Gefährtin hysterisch verlassen hatte. Und doch war so viel passiert. Als er unter den Unterlagen aus dem Tresor seiner Eltern den Brief gefunden hatte, war ihm die furchtbare Wahrheit wie eine hässliche Kröte ins Gesicht gesprungen. Der Brief, den ein Kardiologe kurz nach Sids Geburt an Caroline und Robert Martins geschrieben hatte. Der Herzspezialist hatte den jungen Eltern jede Hoffnung genommen, ihren Sohn retten zu können. Sein Herz hatte eine Kammer zu viel. Ein Arzt, den sein Vater anscheinend durch endlose Telefonate aufgespürt hatte, versprach aber, Sid sogar ganz umsonst zu operiere n – Panajotis Theodorakis, der später sein Patenonkel wurde. So musste alles begonnen haben, hatte sich Sid zusammenreimen können. Fünf Kammern hatte sein Herz, genau wie das unsterbliche Mumienherz Setepenseths. Der kranke Geist von Panajotis glaubte in Sids Geburtsfehler das Zeichen des Auserwählten zu erkennen.
    Sid wurde übel. Er öffnete die Augen wieder, um nicht in den düsteren Gedanken zu versinken. Rascal war gerade dabei, die fleckigen Vorhänge zuzuziehen. »Lass sie bitte auf!«, presste Sid hervor. »Ich bin froh, wenn es heute Nacht nicht dunkel ist!« Rascal ließ die Gardinen los und entzündete stattdessen eine grüne Moskitospirale auf dem Fensterbrett. Ihr stechender Duft breitete sich augenblicklich in jedem Winkel des Raumes aus. Wie sehr sehnte Sid sich nach seinem sauberen Zimmer in der Luxuswohnung seiner Eltern in Manhattan zurück!
    Rascal warf sich neben ihn und drückte sich fest an seinen geschundenen Körper. Der Duft ihres Veilchenparfüms gewann gegen das Insektenmittel. Tief saugte Sid das blumige Aroma ein.
    »Was hast du eigentlich bei den Pyramiden gesucht?«, fragte Rascal endlich.
    Sid legte behutsam seinen Arm über ihren Bauch. Sie ließ es geschehen. »Weißt du das gar nicht?«, fragte er.
    Rascal schüttelte ihr rotes Haar. »Als ich aufgewacht bin, warst du nicht mehr da. Ich wusste sofort, dass etwas passiert sein musste. Auf der Straße hat mir der Parkplatzeinweiser gesagt, du seiest mit einem Taxi nach Giza gefahren. Als ich dort eintraf, lagst du lallend auf den Steinplatten. Völlig neben dir. Hat dich jemand verprügelt?«
    »Ic h …«, begann Sid zögernd. »Ich bin auf die Große Pyramide geklettert und hinuntergesprungen.«
    Rascal setzte sich ruckartig auf. »Du bist was?«
    Sid verzichtete auf eine Wiederholung. »Ich habe das Mumienherz gefunden, das Nagy gesucht hat«, berichtete er. »Es ist
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