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Der Schatten des Horus

Der Schatten des Horus

Titel: Der Schatten des Horus
Autoren: Thilo P. Lassak
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kommen die beiden Frageengel und wollen vom Toten das Glaubensbekenntnis hören, so wie Mohammed es uns gelehrt hat.« Der Mann trat ganz nah an ihn heran, seine Augen funkelten fanatisch. »Weiß er es nicht, kommt Iblis, der oberste Teufel, und holt ihn zu sich!
    Dann gibt es kein Entrinnen!«
    Birger Jacobsen zuckte mit den Schultern. Der oberste Teufel also.
    »In der Vollmondnacht beim Totenfest sitzt hier seine Witwe. Wenn sie mit ihm spricht, zeigt sie ihr Haar, damit er sie erkennt. Nur dann ist es einer Frau erlaubt, unter freiem Himmel den higab , ihr Kopftuch, abzunehmen. Nur dann! Si e …«
    Birger Jacobsen wurde es zu bunt. »Hör zu!«, fauchte er den Prediger an. »Das hier ist der Junge, um den es geht!« Im schummrigen Licht der Funzel überreichte er ihm ein Foto von Sid, das er aus dem Appartement seiner Eltern in New York mitgenommen hatte. »Ich möchte über jeden seiner Schritte informiert werden, ganz genau!«
    Der Mann nickte. »Verstehe!«, murmelte er. »Solche Jobs habe ich schon oft gemacht!«
    »Nichts verstehst du!«, polterte Birger Jacobsen los. »Hier ist alles anders. Wenn er isst, rührst du in der Suppe. Wenn er schläft, liegst du unter der Matratze. Wenn er scheißt, hältst du ihm die Klorolle. Ohne dass er auch nur den Hauch eines Verdachts schöpft.« Er räusperte sich. »Was verlangst du?«
    Die Augen des jungen Manns blitzten auf. Plötzlich war alles mystische Geplapper versiegt. »Einhundert Dollar pro Tag, hundertfünfzig ab dem zehnten Tag. Dazu zweihundert Dollar Startgeld.« Er grinste. »Fällig bei Vertragsunterzeichnung. Ich werde einige Ausgaben haben!«
    Birger Jacobsen zog zehn Scheine aus der Tasche und drückte sie seinem Mann in die ausgestreckte Hand. »Hier sind tausend. Du wirst ein Auto brauchen. Und besorg dir ein zweites Handy. Du musst jederzeit für mich erreichbar sein.« Er trat so dicht an den Mann heran, dass der andere die Pockennarben im Gesicht seines blassen Geschäftspartners zählen konnte. So nah, dass er an seinem Atem riechen konnte, wie ernst die Sache war. »Solltest du ihn aus den Augen verlieren, eine einzige Sekunde nur, wirst du dir wünschen, es wäre nur Iblis, der dich holen kommt!«

9. Kapitel
    Kairo, Sonntag, 14 . Oktober 2007, 6 Uh r 30
    Knatternder Lärm riss Sid viel zu früh aus dem Schlaf. Er brauchte eine ganze Weile, um seine Herkunft zu lokalisieren. Aus unzähligen Lautsprecherboxen der nahen Moscheen krächzte das Morgengebet der Muezzine durch die Straßen und Gassen der Stadt: »La illaha Allah wa Mohammedun rasulu Allah!« Es gibt keinen Gott außer Allah, und Mohammed ist sein Prophet.
    Millionen Menschen machten sich auf den Weg zur Arbeit. Der Smog, der wie eine Glocke über Kairo hing, filterte die ersten Sonnenstrahlen und ließ nur diffuses Licht in das kleine Zimmer eindringen. Sid rieb sich die Augen. Sein Kopf fühlte sich an wie in einen Schraubstock gespannt. Noch einmal zog die vergangene Nacht an ihm vorüber, der Brief, der Aufstieg zur Pyramidenspitze, der Sprung, die Fahrt im Taxi mit Sinistre Faux und nicht zuletzt der Kuss von Rascal, den er noch jetzt auf der Zunge schmeckte und der dem ganzen beschissenen Tag einen halbwegs versöhnlichen Abschluss gegeben hatte. Blitze waren in seinen Körper eingeschlagen, elektrischer Strom hatte ihn bis in die Haarspitzen durchflossen, die Flüssigkeit in jeder Zelle zum Kochen gebracht. So gut konnte die beste Droge der Welt nicht sein. Er drehte sich zur Seite und sah Rascal an. Ihre roten Haare, den Ring in ihrer kleinen Nase, die Grübchen um die Mundwinkel. Jetzt hatte er etwas, wofür es sich zu leben lohnte. Obwohl die Matratze bebte, als er aufstand, wachte Rascal nicht auf. Er wunderte sich immer wieder über ihren tiefen, fast schon komaartigen Schlaf. Eigentlich musste Sid dringend pinkeln, aber er wagte es nicht, den Schlüssel herumzudrehen und Rascal am Ende doch zu wecken. Also setzte er sich auf einen der wackligen Stühle, die vor dem Fenster standen, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und grübelte weiter über seine Situation nach.
    Im Grunde blieben ihm nur zwei Möglichkeiten. Er konnte den Kopf in den Sand stecken und aufgeben. Dann würden der narbige Mann, der sie in New York verfolgt hatte, und alle Kultanhänger gewinne n – und die Welt verlieren. Oder er konnte um sein Leben kämpfen. Auch dann verlor er vielleicht, aber er hätte es wenigstens versucht.
    Sid durchwühlte seinen Rucksack. Was hatte er da in der Eile
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