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Der Schatten des Horus

Der Schatten des Horus

Titel: Der Schatten des Horus
Autoren: Thilo P. Lassak
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hier drin!« Er wollte sich mit dem Finger auf die Brust tippen, hielt aber kurz vor seinem T-Shirt inne, als könne das Organ durch die Haut hindurch nach seiner Hand greifen. »Ich habe es mir aus den Unterlagen aus dem Safe meiner Eltern zusammenreimen können!« Er stockte. »Du glaubst mir doch?«
    Rascal sah ihn ernst an: »Warum sollte ich dir nicht glauben?«
    »Weil diese Geschichte absolut hirnrissig ist.« Sid rollte sich auf die Seite. »Weißt du, wie ekelhaft sich das anfühlt? Wie abstoßend, widerwärtig? Ich bin ein Freak!«, schrie er. »Wie kannst du überhaupt neben mir liegen?«
    Er spürte Rascals Atem in seinem Nacken näher kommen. Ihre schönen, weichen Arme schlangen sich um ihn. Sein Herz begann unkontrolliert zu klopfen, ihm wurde heiß.
    »Gerade im Moment kann ich das sehr gut«, antwortete sie. Sicher hatte sie ein Lächeln auf den Lippen. Ihr tolles Lächeln, das jede Sorge wegwischte.
    »Verstehst du, ich weiß gar nichts mehr«, fuhr er seufzend fort. »Da ist etwas in mir, was mir nicht gehört! Was wird aus mir? Verändere ich mich noch mehr? Das macht mir so eine Scheißangst, dass ich die Antworten einfach nicht abwarten wollte.« Sie wälzte sich auf den Rücken und starrte die Decke an. Ein abgeklemmtes Kabel ragte ihm trostlos entgegen. »Ich habe das Herz eines Dämons in meiner Brust. Fühle ich überhaupt, was ich fühle?«
    Überraschend setzte sich Rascal auf seinen Bauch und drückte ihm die Hände hinter dem Kopf aufs Kissen. Ihr hübsches Gesicht kam ihm atemberaubend nahe. Der silberne Herzanhänger schlug gegen sein Kinn. Einen Moment lang kniete sie so da, dann schob sie ihm ihre Zunge in den Mund. Augenblicklich durchflutete ihn eine Welle unglaublicher Wärme. Als sich ihre Zungenspitzen trafen, blieb ihm die Luft weg. Sid spürte, wie ihm das Blut in die Wangen schoss. Er krallte sich ins Laken, um nicht davonzufliegen. Alle Schmerzen waren verschwunden, die Zentnerlast auf seiner Seele verflüchtigte sich, Kummer und Ekel lösten sich in Luft auf. Endlose Sekunden spielten ihre Zungen miteinander, umschlangen sich, kämpften ihren zärtlichen Kampf. Sid verlor ihn gern.
    Als ihre Hand über seine Stirn strich, schlug er die Augen wieder auf, die er automatisch geschlossen hatte. Rascal zwinkerte ihm zu. »Na, war das gut?«, fragte sie leise.
    Sid konnte kaum antworten. »Ich weiß nich t …«, stammelte er. »Könntest du es mir vielleicht noch einmal zeigen?«
    Lachend sprang Rascal vom Bett auf und schloss die Zimmertür ab. »Heute nicht mehr«, antwortete sie. »Der Tag war aufregend genug. Jetzt wird geschlafen.« Ohne Scham strampelte sie ihren Rock ab und zog sich das T-Shirt mit dem Arctic-Monkeys-Aufdruck aus. Nur in Unterwäsche rollte sie sich in das dünne Laken ein, den Arm quer über Sids bebender Brust. Sekunden später ging ihr Atem bereits völlig gleichmäßig. Sid betrachtete ihr Gesicht. Zu gerne hätte er hinter ihre Stirn geschaut. Noch immer wusste er fast nichts über dieses Mädchen, das ihm nun auch noch seinen Verstand rauben wollte.
    Vorsichtig strich er Rascal eine rote Strähne aus der Stirn. »Du bist das Tollste, was mir je passiert ist!«, hauchte er in ihr kleines Ohr. Sachte hob er ihre Hand, legte sie auf das Laken und ging zum Fenster. Er war viel zu aufgewühlt, um an Schlaf überhaupt nur zu denken.
    Tief unten auf der Straße leerten sich langsam die Imbissstände. Verschleierte Frauen trugen ihre schlafenden Kinder in die Häuser, die Männer verabschiedeten sich mit reichen Gesten von ihren Freunden, Markisen wurden eingefahren, Musikanlagen ausgeschaltet. Das pulsierende Treiben des Orients gönnte sich eine Pause. Bis zum Sonnenaufgang. Dann würde für alle Menschen das normale Leben weitergehen. Nur nicht für ihn.
    Sid presste sein Gesicht so fest gegen die Scheibe, dass seine Nase umknickte. Er blähte die Backen auf. Früher hatte er dieses Spiel häufig mit seiner Nanny an der Glastür in ihrem Appartement gespielt, bis seine Mutter sich über die ständigen fettigen Spuren beschwert hatte.
    Wie hatte er den Sprung aus einhundertfünfunddreißig Meter Höhe überleben können? Außer ein paar blauen Flecken und einer Wunde in der Seele würde schon morgen nichts mehr an seinen Selbstmordversuch erinnern.
    Sid entließ zischend die Luft aus dem Mund und versuchte seine verkrampften Schultern durch ein paar lockernde Bewegungen zu entspannen. Ein heftiger Schmerz durchzuckte ihn. Er zog sich das Hemd aus und
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