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Der Schatten des Horus

Der Schatten des Horus

Titel: Der Schatten des Horus
Autoren: Thilo P. Lassak
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nickte. »Übermorgen im Fushawi!«
    Monsieur Faux wirkte zufrieden. Er bückte sich in den Fußraum des Wagens, zauberte seinen Gehstock hervor und tippte damit dem Fahrer auf die Schulter. »Halten Sie bitte hier an, mein Bester!«
    Hupend bahnte sich der Mann seinen Weg zwischen zwei Kleinlastern an den Straßenrand. Die Stoßdämpfer protestierten heftig, als er über die Bordsteinkante bretterte. Sid sah aus dem Fenster. Sie standen mitten auf einer Brücke, unter ihnen floss der Nil. Der Fahrer sprang vom Vordersitz, lief quer über die Straße um den Wagen herum und öffnete dem alten Mann die Tür. Faux schob ihm unauffällig einen kleinen Schein in die Hand.
    »Ich mag es sehr, wenn man mich zuvorkommend behandelt«, sagte er lächelnd in den Wagen hinein. »Früher war das überall so, heute gibt es das nur noch im Orient.«
    Während der Fahrer wieder einstieg, sah Sid dem alten Mann hinterher. Langsam verschwamm seine Silhouette mit dem Pfeiler der Brücke. Als der Wagen anfuhr, riss Sid die Tür auf.
    »Moment, Monsieur, warten Sie!«, rief er Sinistre Faux hinterher. »Sagen Sie mir doch wenigstens, wie Sie mich gerettet haben!« Verdattert zog er seinen Kopf ins Auto zurück. Die Brücke war leer.

5. Kapitel
    Oh, nach Falke riechst du, sa’i meri’i !
Der Schatten des Horus legt sich über die Pyramiden!
Vertraue ihm nicht
Sei nicht töricht
Er reißt junge Hunde wie dich ohne Schuldgefühl
Höre auf meine Stimme
Missachte nicht den Inhalt meiner Worte
Wende dein Herz nicht ab von mir
Denn es ist mein Herz
Heute nicht
Und nicht in tausend mal tausend Jahren

6. Kapitel
    Kairo, 13./14 . Oktober 2007, Nacht
    Birger Jacobsen drückte sich tief in den stoffbespannten Lehnstuhl und nuckelte an seinem stillen Wasser. Zwei, drei Schlucke rannen seine ausgetrocknete Kehle hinunter, sorgten aber nicht für die erhoffte Erfrischung. Den livrierten Kellnern, die ihren pockennarbigen Gast im Vorbeigehen verstohlen musterten, verriet sein Gesicht nichts von der Anspannung, die in ihm herrschte. Sein Gehirn arbeitete auf Hochtouren, wie der Motor eines Formel-1-Boliden auf einer langen Geraden. Er musste sich einen Überblick über seine Lage verschaffen und kein Ort in ganz Kairo war dafür geeigneter, als die Bar des Ramses Hilton, 111 5 Corniche, 36 . Stock. Das hässliche Gebäude war zwar weitaus unpersönlicher als sein Schwesterhotel Nile Hilton, aber die Aussicht war einfach unschlagbar.
    Sein Blick glitt durch das Panoramafenster über die Insel Gezira, die den Nil wie eine Axt in zwei Teile spaltete. Von der Brücke des 6 . Oktobers, der angeblich längsten Brücke Afrikas, drang das unaufhörliche Gehupe selbst durch die dicken Scheiben des Luxushotels. Ägyptens Autofahrer schliefen anscheinend nie. Und nie schalteten sie das Licht ein. Es war wie ein Naturgesetz.
    Ja, ja, mit Naturgesetzen kannten sich die Einheimischen hier schon immer aus. Jahrtausendelang hatten sie ihr Leben demütig in die Hand der Götter gelegt und geduldig den nächsten Tag und mit ihm Pein oder Freude erwartet. Dann sandte das Schicksal die ausländischen Eroberer nach Ägypten. Ab 740 vor Christus saßen Säiten auf dem Thron, dann folgten die Nubier, die Perser, die Griechen, die Makedonier, die Ptolemäer und schließlich die Römer. Kleopatra, die falsche makedonische Schlange, ging ein Bündnis mit ihnen ein, bei dem sie sogar ihren eigenen Körper als Pfand anbot. Caesars Sohn nannte sie Kaisarion. Dreißig Jahre vor der Zeitenwende, die die Christen mit der Geburt ihres Religionsstifters begründeten, verleibten die gierigen Herren das Land am Nil endgültig ihrem Römischen Reich ein. Nun sollte plötzlich alles falsch sein, was seit Beginn der Zeit richtig gewesen war. Schnell brachten die Römer das Christentum, das sie doch selbst jahrzehntelang mit Löwen und blutigen Kreuzen bekämpft hatten, Alexandria wurde ein Zentrum ihrer Theologie. 646 bröckelte das Weltreich, andere machten sich am Nil breit, außer dem Christentum blieb nichts Römisches im Land zurüc k – die Cäsaren hatten nichts gegeben, nur genommen.
    Ein Mann mit einem dünnen weißen Haarkranz um den Kopf riss Birger Jacobsen aus seinen Grübeleien. »Darf ich mich zu Ihnen setzen? Alle anderen Plätze sind belegt. Und diese Aussicht muss man einfac h …«

Birger Jacobsen starrte ihn giftig an. »Verpiss dich!«, zischte er. Zufrieden konnte er beobachten, wie der alte Knacker kopfschüttelnd in den Tiefen der Bar verschwand. Birger Jacobsen
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