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Der Schatten des Horus

Der Schatten des Horus

Titel: Der Schatten des Horus
Autoren: Thilo P. Lassak
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mitzupfeifen, das aus dem altersschwachen Radio dudelte. Die Troddel auf seinem Fez wackelte wie der Schwanz einer neugierigen Ziege im Takt.
    Wie kam er hierher? Ein würziger Duft hüllte Sid ein, eine Wolke aus kräftigen Aromen un d … Tabak! Mühsam drehte er den Kopf auf die andere Seite. Neben ihm hockte, entspannt in die gelblichen, abgewetzten Lederpolster zurückgelehnt, Sinistre Faux, der Antiquitätenhändler aus New York! Sid musste wider Willen lachen. Das konnte nicht sein! Und doch stimmte jedes Detail: Alter um die siebzig. Der altmodisch geschnittene, aber tadellose schwarze Anzug, das schwarze, hüftlange Cape, die pechschwarze Melone auf den kurzen grauen Haaren, der akkurat gestutzte schwarze Schnurrbart, die ganze elegante Erscheinung. Es konnte nur Sinistre Faux sein, der Mann, dem er in New York das geheimnisvolle Päckchen geklaut hatte, mit dem alles angefangen hatte! Das Päckchen, das an Jószef Pulitzer adressiert war und das ihn niemals erreicht hatt e – der letzte Hilferuf des Ungarn Attila Nagy, der dem Kult auf der Spur gewesen war.
    Unwillkürlich rückte Sid von dem alten Mann ab, näher an Rascal heran. Faux hatte ihn von seinem Laden aus bis zum Washington Arch verfolgt, leichtfüßig wie ein Triathlet, um sich seinen Besitz zurückzuholen. Aus der Siebten Straße West, schoss es Sid durch den schmerzenden Schädel, der Straße, die es nicht gab!
    Wie ein Tsunami schlugen die Fragen über ihm zusammen. Fragen zu dem Paket, zu seinen quälenden Albträume n – oder waren es Wahnvorstellungen ? –, zu Attila Nagys Tagebuch, zu seiner Rolle in dem ganzen Spiel. Statt sich den Antworten zu stellen, schlug er mit beiden Fäusten um sich.
    »Warum lasst ihr mich nicht sterben?«, brüllte er. Ein Ruck ging durch den Wagen. Der Fahrer hatte vor Schreck das Lenkrad herumgerissen und konnte nur mit Mühe die Spur halten. Geschockt blickte er sich um. Sid ließ die Hände sinken, er hatte keine Kraft mehr.
    »Du bist der Auserwählte«, erklärte Faux und zog an seiner parfümierten Zigarette.
    Sid wollte sich die Hände auf die Ohren pressen, aber die Schmerzen in den Armen jagten wie Blitze durch seinen Körper. »Ich will das nicht hören!«, flüsterte er heiser.
    Rascal legte den Arm um ihn. Beruhigend wühlte sie mit den Fingern durch sein Haar. Seine Kopfhaut kribbelte wie elektrisiert.
    »Sind Sie etwa auch einer von denen ?«, fragte Rascal scharf. Monsieur Faux schüttelte den Kopf.
    » Mon Dieu! Aber nein!«, versicherte er. »Ich kämpfe selbst schon mein ganzes Leben lang gegen den Seth-Kult. Aber ohne dich, Sidney, bin ich machtlos.«
    Sid sah ihn verdattert an. Wieso war der alte Mann plötzlich in Kairo, und woher kannte er seinen Namen? Noch mehr Fragen. Fragen, die ihm noch den Verstand rauben würden! »Was kann ich denn tun?«, stammelte Sid. »Sie sind so viele, und ich bin allein!«
    Faux blies eine weitere Wolke unter den Himmel des Wagens und schüttelte den Kopf. »Du bist nicht allein, Sidney. Du hast diese junge Dame hier, die an deiner Seite kämpft, wie ich bereits am eigenen Leib erfahren durfte!« Er räusperte sich. Sid wusste, worauf er anspielte. Rascal hatte ihm damals auf dem Washington Square ein Bein gestellt, damit Sid mit dem Paket entkommen konnte. Faux blies elegant einen Rauchkringel in die Luft. »Und du hast mich, einen alten Mann.«
    »Ich verstehe das alles nicht«, antwortete Sid.
    Faux nickte. »Du hast Recht, Sidney, ich habe euch eine Menge zu erklären. Aber nicht hier in diesem Wagen. Ich fühle mich an anderen Orten wohler. Mein Lieblingscafé in Kairo ist das Fushawi , inmitten des Khan al-Khalili . Fragt einfach nach dem großen Basar, jeder Taxifahrer kennt es. Wollen wir uns da treffen, wenn du wieder völlig auf dem Damm bist, Sidney? Vielleicht übermorgen?«
    Sid wäre seine Fragen am liebsten sofort losgeworden, aber er fühlte deutlich, dass sein Körper dringend eine Pause brauchte. Und er musste Ordnung in seine Gedanken bringen, die Erkenntnisse der letzten Stunden sortieren, denn er fürchtete, langsam den Verstand zu verlieren.
    Rascal blätterte eilig in ihrem Reiseführer herum. »Okay, ich hab’s gefunden«, sagte sie und staunte. »Hier steht, dass das Kaffeehaus angeblich seit zweihundert Jahren durchgängig geöffnet hat!«
    Monsieur Faux lächelte geheimnisvoll. »Ja. Das kann ich bestätigen.« Er fingerte eine goldene Taschenuhr aus seiner Westentasche und zog sie auf. »Also am Montag, zehn Uhr?«
    Sid
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