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Der Schaedelschmied

Der Schaedelschmied

Titel: Der Schaedelschmied
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
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hervor. Jorge hätte es niemals für möglich gehalten, aber der Oberste Lenker schaffte es sogar, furchteinflößend auszusehen, wenn er die Form eines verdammten Federviehs annahm.
    Er versuchte zu retten, was zu retten war. »Ihr braucht keine Angst zu haben, Kinder«, wandte er sich an die wimmernden Mädchen. »Das ist nur das gute, alte Maul …«
    »ICH SCHWÖRE IHNEN, AGENT JORGE: WENN SIE NICHT SCHNELLER IN MEINEM BÜRO AUFTAUCHEN, ALS SIE STRAFVERSETZUNG NACH TORRLEM‹ GRUNZEN KÖNNEN, DANN …«
    »… er ist ein Gestaltwandler, das wisst ihr doch, habt ihr bestimmt auch in eurer schönen Zenitpost gelesen. Geheimrat Karliban ist berühmt, aber niemand weiß, wie er wirklich aussieht, und heute hatte er eben das Verlangen, die Form eines amorphen Haufens Dung anzunehmen, wer würde das nicht hin und wieder gern mal tun, und danach die eines Huhns, haha, echt witzig, und …«
    »WENN ES DIE STATUTEN UNSERES INSTITUTS NICHT UNTERSAGEN WÜRDEN, WÜRDE ICH SIE AN OBLAYA VERFÜTTERN, DIE SIEBENSCHLÜNDIGE AUS DEN GROSSEN HALLEN VON MERTPAUTIN! HABEN SIE MERVYNIAS WORTWURF NICHT VERNOMMEN?«
    »… und er ist gar nicht wirklich hier im Raum, eine Projektion sozusagen, und die gilt nicht mal euch, ihr könnt sie einfach ignorieren …«
    »ICH WEISS, SIE HABEN IHN VERNOMMEN, ABER GEKONNT IGNORIERT, WIE ES IHRE VERFLUCHTE TROLLART IST!«
    »Ich … also … mein freier Tag …«, stammelte Jorge.
    »ALS BEAMTER UNSERES INSTITUTS IST MAN IMMER IM DIENST, DAS WISSEN SIE GANZ GENAU«, brüllte der Geheimrat, als hätte er Jorges halbherzige Ausrede gehört. »BEWEGEN SIE IHREN FEISTEN HINTERN AUGENBLICKLICH ZU MIR! SOLLTEN SIE NICHT BINNEN EINER STUNDE HIER EINTREFFEN, HABEN SIE SICH DIE FOLGEN SELBST ZUZUSCHREIBEN!«
    Ein Zischen, ein Blubbern, und der hühnerköpfige Misthaufen, in Wahrheit Geheimrat Karliban, eine der einflussreichsten Persönlichkeiten Nophelets, verschwand. Zurück blieben eine gelbe, stinkende Wolke und drei Mädchen, die sich eng aneinanderklammerten.
    Jorge spürte, wie seine Füße endlich wieder den Boden berührten. Er zwang sich zu einem Lächeln. »Ich gehe mal davon aus, dass wir meine Verabredung mit Madame Niketta nicht zufällig … ahm … auf einen späteren Termin verschieben können?«
    Doch da hatte das erste Mädchen schon die Tür aufgerissen, und einen Wimpernschlag später war von den drillingshaften Schönheiten nicht mehr übrig als das in der Ferne verhallende Trippeln nackter Füße.
    Ja, der Abend hätte unvergesslich werden können, resümierte Jorge, während er sich ankleidete. Aber er hatte es versaut.

2
     
     
    Vorsichtig schob der Zwerg seinen Kopf vor das Fenster und spähte hinaus. Sein Gesicht war eine verzerrte Maske, misstrauisch und abweisend. Keinem Passanten, der ihn bei seinem raschen Blick ins Freie beobachtet hätte, wäre es in den Sinn gekommen, den Bewohner des Apartments mit der Nummer 7191 zu grüßen, geschweige denn, ihm auch nur einen zweiten Blick zu schenken. Doch die unterirdische, von farblosen Gaslampen erhellte Straße in der Siebten, breit genug für zwei nebeneinander dahinrollende Fuhrwerke, war um diese späte Stunde menschenleer.
    Der Zwerg zog sich vom Fenster zurück, wobei er die blauweiß karierten Vorhänge wieder so arrangierte, dass niemand im Vorübergehen einen zufälligen Blick ins Innere seiner Behausung werfen konnte. Dass seine Räumlichkeiten ebenerdig, auf gleicher Höhe mit der Straße lagen, war eine lästige Marotte des Barlyner Tiefbauamtes. Nach einer Verordnung aus dem Jahre 2444 des Zweiten Zyklus durften sich private Behausungen nicht über mehr als eine Etage erstrecken, eine Konzession an die beschränkten Platzverhältnisse unter Tage, der sich auch Beamte in hohen Positionen zu beugen hatten.
    Der Zwerg stapfte zur Eingangstür seines Apartments und verriegelte sie. Dann schritt er in den hinteren Teil der Wohnung, wobei er sein Monokel abnahm und begann, es am Saum seines braunen Gehrocks zu polieren. Vuruna, seine Exfrau, hatte ihm einst auseinandergesetzt, diese unbewusste Geste verrate seine innere Erregung. Er hatte ihr daraufhin eine verpasst und sie in die Küche geschickt, um ihm sein Leibgericht zuzubereiten, Bauchfleisch mit Klößen. Zwei Zenite später hatte Vuruna ihre Siebensachen gepackt und war zu ihrer Schwester in die Achtzehnte gezogen.
    Er ließ die gesäuberte Sehhilfe in einer Tasche seines Rocks verschwinden. Er war nicht aufgeregt, bei Thellw! Kalten Sinns und beherrscht würde er
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