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Der Schaedelschmied

Der Schaedelschmied

Titel: Der Schaedelschmied
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
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mochten, übertraf doch nichts die Effizienz eines soliden, regelmäßig gewarteten Wasserspülers.
    Er kniete vor der Schüssel, auf einem hochflorigen Teppichvorleger mit kariertem Muster, und klappte den Deckel hoch. Dann nestelte er den Verschluss des grauen Stoffbeutels auf und griff hinein.
    Mit einem leisen Plitsch verschwand der erste unlegierte Sechszollnagel im Wasser. Ihm folgten weitere – plitsch, plitsch, plitsch – in gleichmäßigem, kontrolliertem Rhythmus. Nach jeweils fünf Stück betätigte er die Spülung und sah den ungenutzten Resten seines Munitionsvorrats nach, wie sie von den strudelnden Wassermassen davongerissen wurden.
    Nach dreimaligem Abziehen war alles vorbei. Er klappte den Klosettdeckel zu, steckte den leeren Beutel mit einem winzigen Explosivglobulus in Brand und ließ die auflodernden Überreste in die Badewanne fallen, wo sie zu Staub verkohlten.
    Er kehrte ins Studierzimmer zurück, zum offenen Tresor, und holte einen weiteren Sack daraus hervor, diesmal einen, der aus dem grün bedruckten Leinen der Barlyner Staatsbank bestand. Kurz lauschte er dem fröhlichen Klimpern im Innern – einem Klimpern, wie es allein Goldkaunaps zu verursachen vermochten, die sich makelloser Reinheit und großer Zahl erfreuten –, dann schlug er die Tür des Stahlschranks zu und verriegelte sie.
    Zurück im Wohnzimmer, verstaute er den Sack in einem unscheinbaren Schulterbeutel, vertauschte seinen Gehrock mit einem lodengrünen Ausgehmantel und warf einen Blick auf den mechanischen Zeitmesser an der Wand.
    Eine halbe Stunde bis Mitternacht.
    Zufrieden schloss er die Wohnungstür auf. Ihm blieb genügend Zeit, den ausgemachten Treffpunkt in der Vierzehnten zu erreichen und einem treuen Freund einen wohlverdienten Bonus auszuzahlen.

3
     
     
    In der Grotte war es kühl und dämmrig. Der brackige Geruch abgestandenen Wassers hing in der Luft, und irgendwo in den Tiefen des Gewölbes tropften unsichtbare Flüssigkeiten platschend von unsichtbaren Tropfsteinen. Niemand, der es nicht besser wusste, wäre auf den Gedanken gekommen, bei dieser Höhle viele Stockwerke unter dem historischen Stadtkern Nophelets könnte es sich um das Domizil des Obersten Lenkers der bedeutsamsten kriminologischen Ermittlungsbehörde Sdooms handeln.
    Und doch war es so.
    Längst hatten sich die Beamten des IAIT daran gewöhnt, dass ihr Vorgesetzter bei seinem Amtsantritt vor gut neunzig Jahren keines der hellen, freundlichen Büros in den oberen Stockwerken des Komplexes bezogen hatte, ebenso wenig wie er das stilvoll eingerichtete Studierzimmer seines auf mysteriöse Weise verschwundenen Vorgängers, Meister Antonowitsch, übernahm. Stattdessen hatte der Geheimrat eine steile Wendeltreppe in den Grund bohren lassen, tiefer noch als die untersten Kellergeschosse des Instituts. Und als hätte er genau gewusst, worauf man bei dieser Aktion stoßen würde, ließ er die absonderliche Grotte unmittelbar nach ihrer Entdeckung vermittels druckluftbetriebener Rohrpost und permanenter Wortwurfverbindungen mit dem Sekretariat und allen wichtigen Punkten des Gebäudes verbinden. Derart vernetzt, musste der Oberste Lenker sein Domizil nur selten verlassen, ein Umstand, über den niemand im Hause sonderlich betrübt war. Denn auch wenn die Aufklärungsrate des Instituts seit Karlibans Amtsantritt auf bemerkenswerte Weise gestiegen war, verspürte keiner seiner Untergebenen großes Verlangen, dem Leiter des Instituts persönlich zu begegnen.
    Und dafür gab es gute Gründe.
    Ein Poltern hallte durch das weitläufige Gewölbe. Dann flog eine von zwei schwächlichen Glutglobuli flankierte Tür auf, und eine massige, in schwarzes Leder gekleidete Gestalt taumelte herein. Ein durchdringender Geruch nach Rosenkaldaven und Asphyxilien begleitete sie, übertünchte die brackigen Nuancen im Innern der Grotte.
    Augenblicklich löste sich ein bedeutend kleinerer Schemen aus dem Schatten neben der Tür und eilte auf den Neuankömmling zu. Im diesigen Licht der thaumaturgischen Leuchtkugeln entpuppte er sich als schmächtiger Knabe von dreizehn, vielleicht vierzehn Jahren. Er trug ein wallendes dunkelgraues Gewand, hatte unnatürlich blasse Haut und schneeweißes Haar, das aussah, als sei es kürzlich komplett geschoren worden und erst allmählich im Nachwachsen begriffen.
    »Bei Lorgon! Höchste Zeit, dass du kommst, Jorge«, zischte der Junge. Er packte den Troll am Arm und zerrte ihn vorwärts, auf einen monströsen Schreibtisch aus schwarzem
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