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Der Schaedelschmied

Der Schaedelschmied

Titel: Der Schaedelschmied
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
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erhob sich. Es überraschte ihn selbst, wie weich sich seine Beine anfühlten.
    »Würden Sie mir bitte folgen, Herr Jorge?«
    Jorge schluckte, aber der Kloß in seiner Kehle blieb auf der Höhe seines Adamsapfels hängen.
    Das Mädchen kicherte. »Sie brauchen nicht nervös zu sein, Herr Jorge. Schließlich sind wir ausschließlich dazu da, Ihnen Ihre Wünsche von Ihren fetten Lippen abzulesen.«
    Jorge stutzte. Hatte das junge Ding tatsächlich »fette Lippen« gesagt? Er war nicht sicher. Vielleicht hatte sie auch »nette Lippen« gemeint. Er hakte nicht nach.
    »Ich … wir Trolle haben da ein Sprichwort, und es geht so … Ich bin geil!«
    Das Mädchen ließ ein glockenhelles Lachen hören. »Genau, Herr Jorge. Wie wir alle. Deswegen sind Sie schließlich bei uns. Entspannen Sie sich.«
    Jorge trottete hinter ihr her und versuchte, seine verknotete Zunge auseinanderzufriemeln. Bei Batardos, er war ein verfluchter Troll, außerdem einer der ranghöchsten Ermittler des IAIT, des Instituts für angewandte investigative Thaumaturgie! Sein letzter Fall mochte ihm noch in den Knochen stecken, aber, verdammt, er war doch kein verschüchterter Schuljunge!
    Sie bogen in einen mit violettem Samt ausgeschlagenen Flur ein. Der Duft von Rosenkaldaven, Asphyxilien und fleischlichen Genüssen wurde stärker, ein Duft, alt wie die Sünde selbst, und noch älter. Jorge versuchte sich wieder an etwas Konversation, während er auf den schmalen Rücken des Mädchens starrte.
    »Du hast mir deinen Namen noch nicht verraten. Ich will nicht aufdringlich wirken, aber …«
    »Schon gut, Herr Jorge«, sagte das Mädchen, ohne sich umzudrehen. »Mein Name tut nichts zur Sache. Sie sind es, der im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht.«
    »Das stimmt natürlich. Es war nicht einfach, einen … ahm, einen Termin bei Madame Niketta zu bekommen. Ich habe da die tollsten Geschichten gehört …«
    »Und wir haben die tollsten Geschichten über Sie gehört, Herr Jorge. Sie sind ein berühmter Agent. Beim IAIT! Sie haben bestimmt schon viele gefährliche Abenteuer erlebt.«
    »Dauernd.«
    »Haben Sie keine Angst?«
    »Angst ist ein Luxus, den ich mir nicht leisten kann. Es gibt da ein altes Troll Sprichwort, und es geht so: Angst ist ein Luxus, den ich mir nicht leisten kann. Ein sehr altes, weises Trollsprichwort.«
    Sie bogen um mehrere Kurven, betraten immer neue, andersartig gefärbte Flure. An den Wänden hingen fothaumatographische Aufnahmen von nackten Menschenfrauen und nackten Elbenjünglingen. Jorge schwitzte wie ein Krügerschwein am Spieß.
    »Ich habe gehört, ihr empfangt normalerweise keine Trolle«, sagte er, um wieder eine Stimme zwischen den engen, samtbeschlagenen Wänden zu vernehmen. »Findet ihr das nicht irgendwie diskrimi …«
    »Oh, Herr Jorge, wir sind in der Tat nicht auf Trolle spezialisiert. Aber niemand hier hat etwas gegen sie. Madame Niketta war sogar einst für einen Zenit mit einem liiert.«
    »Ich bin s nicht gewesen!« Jorge merkte, wie lahm der Witz war, aber das Mädchen lachte trotzdem wieder ihr Glockengelächter.
    »Natürlich nicht, Herr Jorge. Bitte hier entlang.«
    Sie betraten einen Raum mit riesigen Bullaugenfenstern, die zu beiden Seiten in die Wände eingelassen waren. Auch hinter diesen Scheiben schimmerte es violett, auch hier schwammen Ictopoden in salzigem Meerwasser, allerdings bedeutend größere als in der Röhre im Foyer. Träge und ziellos trieben die vielarmigen Kolosse auf und ab. Jorge erinnerte sich, dass diesen Tiefseewesen nachgesagt wurde, sie besäßen kein Gehirn, ihr einziger Daseinszweck bestehe im Fressen. Mit einem Anflug von Neid passierte er die Aquarien.
    Im Zentrum des Raumes erwartete ihn eine rote Liege mit Löwenfüßen. Daneben stand ein Beistelltisch, auf dem unzählige Glasbehälter mit Flüssigkeiten aufgereiht waren, wahrscheinlich Öle für Massagen. Am Ende des Raumes gab es eine Tür aus dunklem Holz, aus der soeben zwei weitere lächelnde Mädchen traten. Sie trugen die gleichen knappen Kleidchen wie seine Führerin.
    »Ahm … Madame Niketta?« Jorge fühlte sich, als wäre er soeben aus einem Ei geschlüpft.
    Die Mädchen kamen heran, umkreisten ihn und begannen, an den Kordeln seiner schwarzen Lederkluft zu zupfen.
    »Meine Damen, ich …«
    Reiß dich zusammen, dachte Jorge. Das ist schließlich nicht der erste Puff, den du in deinem Leben besuchst!
    Seine Unsicherheit, dessen war er sich schmerzlich bewusst, rührte zu einem guten Teil daher, dass er
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