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Der Schaedelschmied

Der Schaedelschmied

Titel: Der Schaedelschmied
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
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Grobonskonitproben aus der aktuellen Förderung. Sygmundt sah Gänsekiele, Tintenfässchen sowie ein kompliziertes faustgroßes Gerät, in dem er eine mechanische Rechenhilfe erkannte. Am Rand der Tischplatte stand eine Öllaterne von der Art, wie sie unterhalb der Vierzehnten, wohin keine Gasleitungen mehr führten, gebräuchlich war. Ihr ruhiges gelbliches Licht beleuchtete ohne Gnade den einzigen Insassen der engen Kammer.
    »Bei Lorgons Allmacht … Minister!« Mit schreckgeweiteten Augen eilte Ullrych zum Schreibtisch.
    Schürfminister Borkudd war tot. Um das zu erkennen, musste man kein medizinisch-thaumaturgischer Heiler sein. Der ältliche, weißbärtige Zwerg hing in unnatürlich verkrampfter Haltung auf einem gepolsterten Lehnstuhl, die Schultern und der Oberkörper über und über mit Blut besudelt. Borkudds Kopf war zur Seite gedreht, der Blick seiner gebrochenen Augen auf die Tür gerichtet. Sein starres Gesicht trug einen verständnislosen, in höchstem Maße überraschten Ausdruck.
    »Bei Thellw! Was ist hier geschehen?« Trotz seiner Müdigkeit übernahmen Sygmundts in langen Dienstjahren geschärfte Reflexe die Kontrolle über sein Handeln. Er sondierte den Raum, packte seinen Schlagstock fester und brüllte: »Niemand rührt etwas an, klar?«
    In diesem Augenblick ertönte ein Keuchen.
    Es kam von Ullrych, der sich irgendwo auf dem Weg um den Schreibtisch seiner sperrigen Aktentasche entledigt hatte und auf der anderen Seite des sitzenden Leichnams angelangt war. Mit ungläubig aufgerissenen Augen starrte er Borkudds Hinterkopf an.
    Binnen einer Sekunde war Sygmundt bei ihm.
    Das silbrig-weiße Haar des Ministers war klumpig vor geronnenem Blut. Dazwischen ließen sich sechseckige, metallisch glänzende Formen erkennen, knapp drei Dutzend an der Zahl, jede etwa so groß wie ein Kupferkaunap. Sygmundt trat näher, kniff die kurzsichtigen Augen zusammen. Als er erkannte, um was es sich handelte, spürte er, wie ihm der Tee seiner letzten, lange zurückliegenden Zwei-Minuten-Pause heiß und bitter die Speiseröhre hinaufdrängte.
    Im Schädel des Schürfministers steckten Nägel. Nicht irgendwelche, vielmehr massive Sechs-Zoll-Nägel aus unlegiertem Stahl, wie sie im Grubenbau zum Fixieren von Holzverschalungen verwendet wurden. Die meisten saßen bis zum Anschlag im Schädelknochen fest – Borkudds Gehirn musste von unzähligen Stahlspitzen durchlöchert worden sein.
    Ein süßlich-kupfriger Geruch stieg Sygmundt in die Nase. Kurz wurde sein Blick gefangen genommen von Borkudds dicken Augengläsern, die lose an einem Bügel von seinem Ohr baumelten wie ein aasfressendes Insekt, das einen vielversprechenden Kadaver zu erklimmen versucht. Er musste sauer aufstoßen, nur unter wiederholtem Schlucken gelang es ihm, seinen Brechreiz zu unterdrücken.
    Ullrych hatte weniger Erfolg: Leichenblass, die Hände auf den Mund gepresst, stürzte er an Sygmundt vorbei, durch die Tür nach draußen. Sekunden später ertönten auf dem Flur klägliche Würgelaute.
    Fassungslos betrachtete Sygmundt das grässliche Bild. Ihm war klar, dass er als ranghöchster anwesender Beamter der Sicherheitsbehörde umgehend bestimmte Dinge in die Wege leiten musste. Doch er war außerstande, sich zu rühren.
    Es war weniger das Bild des durchlöcherten Schädels, das ihn so verstörte. Während seiner Laufbahn als Sicherheitsinspektor hatte Sygmundt etliche Leichen gesehen, niedrige Kriminalitätsrate hin oder her. Die Methode, mit der man den Schürfminister zu Tode gebracht hatte, war ungewöhnlich, fraglos, zudem in hohem Maße unappetitlich. Die kalte Gänsehaut auf Sygmundts Rücken hatte jedoch einen anderen Grund.
    »Schau’n Sie mal hier, Chef«, ertönte eine Stimme irgendwo zu seiner Rechten. »Denken Sie, das könnte vielleicht die Tatwaffe sein?«
    Der grobschlächtige Wachmann mit dem rohen, roten Gesicht war auf halbem Weg um den Schreibtisch stehen geblieben und wies mit einem dicken Finger auf etwas, das vor seinen Füßen auf dem Boden lag.
    Im ersten Augenblick erkannte Sygmundt lediglich eine große, eckige Aktentasche mit metallverstärkten Ecken – Ullrychs Gepäck, von dem Sekretär in einer Sekunde maßlosen Schreckens fallen gelassen. Er wollte gerade verwundert die Stirn runzeln, als er realisierte, dass der Wachmann nicht auf die Tasche deutete, sondern auf etwas, das dahinter lag, ein Stück näher bei der Wand.
    Hastig umrundete Sygmundt den Tisch.
    Es war ein Hammer. Keines von den riesigen, schweren
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