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Der Schaedelschmied

Der Schaedelschmied

Titel: Der Schaedelschmied
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
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lärmenden Ullrych. Skeptisch ging er in die Hocke und brachte seine Nasenspitze bis auf wenige Handbreit an den unteren Rand der Tür heran. Er furchte die Stirn, schob sich die fingerdicken Augengläser auf dem Nasenrücken hoch und verfluchte stumm seine ausgeprägte Kurzsichtigkeit. Wie die meisten Angehörigen seiner Rasse war Sygmundt seit frühester Kindheit auf eine Sehhilfe angewiesen, Resultat Hunderter Generationen, die bei unzureichender Beleuchtung in den finsteren Tiefen der Erde geschuftet hatten.
    »Natürlich bin ich sicher«, schnappte Ullrych. »Glauben Sie, der Minister arbeitet bis spät in die Nacht, um das Resultat seiner Überstunden danach in seinem Büro einzuschließen?«
    Sygmundt schüttelte griesgrämig den Kopf. In gewisser Weise war er dankbar für seine Müdigkeit – sie verhinderte, dass er sich wegen dieser Angelegenheit über Gebühr aufregte.
    Umständlich beugte er sich tiefer. Als sein kurz gestutzter Vollbart schon fast den staubigen Steinboden berührte, nahm er plötzlich einen feinen Streifen goldgelber Helligkeit unter dem Türblatt wahr. »Sie haben recht: Drinnen brennt Licht.« Er kam wieder ein Stück nach oben und warf einen kritischen Blick durchs Schlüsselloch. »Dunkel«, verkündete er. »Der Schlüssel steckt von innen.«
    Ein dumpfes Poltern ließ ihn zusammenfahren.
    Erschrocken fuhr Sygmundt herum. Doch es war nur Ullrychs Aktentasche, ein klobiges Ding mit metallverstärkten Kanten, das der Sekretär genervt neben sich auf den Steinboden hatte plumpsen lassen. »Wenn der Minister im Büro ist, aber die Tür nicht öffnet, kann das nur eines bedeuten«, stellte der Sekretär mit gepresster Stimme fest. »Ihm muss etwas zugestoßen sein!« Als er sich zu Sygmundt umwandte, lag eine grimmige Entschlossenheit in seinen dunklen Augen. »Herr Sicherheitsinspektor, walten Sie ihres Amtes: Begeben Sie sich nach oben in die Achte und verständigen Sie die Nachtpatrouille!« Mit einem besorgten Blick auf das schwarze Holz fügte er hinzu: »Die Männer sollen einen Pfortenbrecher mitbringen. Ich fürchte, wir müssen diese Tür gewaltsam öffnen.«
    Mit einem unwilligen Grunzen setzte sich Sygmundt in Bewegung. Das hatte gerade noch gefehlt! Mit stampfenden Schritten polterte er die Stufen hinunter, aus dem Gebäude, quer über den Vorplatz und weiter eine schmale Passage entlang, die ihn zum nächstgelegenen Aufzug bringen würde. Der Rückweg zum Amt für Innere Sicherheit würde ihn knapp eine halbe Stunde kosten – vorausgesetzt, er konnte sein derzeitiges Tempo beibehalten; wie lange es anschließend dauern mochte, um diese Zeit die erforderlichen Männer zusammenzutrommeln, daran wollte er lieber nicht denken …
    Doch das Glück war ihm hold: Als er sich dem Aufzug näherte, vernahm er von Weitem das kehlige Gelächter mehrerer Zwerge. Er machte vor der vergitterten Tür halt und beobachtete erleichtert, wie aus der Tiefe eine dicht gefüllte Kabine emporratterte. Sogleich erklangen grüßende »Heil Hindrych« -Rufe.
    Wie sich herausstellte, war ein halbes Dutzend Wachmänner in der indigoblauen Montur der Barlyner Ordnungsmacht just dabei gewesen, ihre Schicht zu beenden. Sygmundt zeigte den Kollegen seinen Ausweis und befahl ihnen mitzukommen. Ein Pfortenbrecher war binnen Minuten aus der Achtzehnten besorgt, und kaum eine Viertelstunde nachdem er den Ministerialsekretär verlassen hatte, bog Sygmundt wieder in den Flur vor Schürfminister Borkudds Büro ein.
    Dort hatte sich in der Zwischenzeit nichts verändert. Allein Ullrych hatte sein nutzloses Klopfgewitter eingestellt und hockte mit besorgter Miene auf seiner klobigen Aktentasche.
    Als Sygmundt sich der Tür näherte und sie genauer in Augenschein nahm, war er dankbar für die vorausschauende Order des Sekretärs, schweres Gerät zu organisieren. Eine Pforte wie diese mit herkömmlichen Mitteln öffnen zu wollen, der Schulter etwa, wäre ein ähnlich aussichtsloses Unterfangen gewesen wie der Versuch, ein hochwertiges Schloss mit von innen steckendem Schlüssel mithilfe eines Dietrichs zu knacken.
    Auf sein Winken schleppten zwei der Wachmänner den Pfortenbrecher herbei. Der Mechanismus dieses Werkzeugs war ebenso simpel wie effektiv. Angeblich hatte ihn irgendwann im Zweiten Zyklus ein Zwerg namens Bylger ersonnen, dessen Eheweib sich regelmäßig in ihrem Schlafgemach einschloss, um den nimmersatten Gatten nicht empfangen zu müssen. In den folgenden Jahrhunderten war das Gerät immer weiter
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