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Der Sauerteig - das unbekannte Wesen

Der Sauerteig - das unbekannte Wesen

Titel: Der Sauerteig - das unbekannte Wesen
Autoren: Martin Pöt Stoldt
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vielen Menschen Angst. Und viele dumme und vor allem falsche Warnungen vor Sauerteig tun ihr Übriges dazu.
     
    Doch wenn man sich mal mit dem Sauerteig beschäftigt, stellt man fest: Einen Sauerteig herzustellen ist eigentlich ganz einfach. Mit Sauerteig zu backen ebenso. Und ihn zu führen ist sogar am einfachsten. Das soll hier gezeigt werden.
     
    Doch zurück zu der Frage, was Sauerteig ist.
     
    Ein Sauerteig ist eine «Arbeits- und Lebensgemeinschaft» von verschiedenen Kleinstlebewesen. Sie sind voneinander abhängig und schützen sich gegenseitig. Solche Lebensgemeinschaften sind in unserer Welt sehr vielfältig und treten oft auf: in Käse, Kefir, Wurst, Waldpilzen, Sauerkraut und eingemachtem Fisch, in der Gras-Silage der Bauern und vielen anderen Dingen, bis hin zum menschlichen Darm. Hier gehen Bakterien verschiedenster Form eine so genannte Symbiose mit anderen Lebewesen ein, um zu existieren.
     
    Beim Sauerteig sind es viele Dutzend verschiedene Bakterien und Hefen, also Pilze. Die meisten von ihnen sind noch gänzlich unerforscht.
     
    Wir nehmen uns zur weiteren Betrachtung im jetzt folgenden Kapitel «Etwas Biologie und Chemie» einfach die drei wichtigsten Lebensformen heraus:

1.) die Milchsäurebakterien,
2.) die Essigsäurebakterien und
3.) die Sauerteighefen.
     

Etwas Chemie und Biologie
     
    Im Sauerteig tummeln sich hauptsächlich drei wichtige Gruppen von Mikroorganismen, die unterschiedliche Stoffwechselarten haben und damit Geschmack und Konsistenz des Sauerteiges unterschiedlich beeinflussen:
     
    Milchsäurebakterien (genauer: homofermentative Milchsäurebakterien)
    (homofermentativ= durch den Stoffwechsel entsteht nur ein Endprodukt, hier: Milchsäure)
     
    Diese Bakterien produzieren ausschließlich die vom Sauerkraut, Quark, Joghurt und Gras-Silage bekannte Milchsäure und sollten ca. 80 bis 90 Prozent der Bakterien im Sauerteig ausmachen. Die häufigsten Arten sind:

* Lactobacillus plantarum
* Lactobacillus casei
* Lactobacillus delbrückii
* Lactobacillus leichmannii
     
    Die Milchsäurebakterien bevorzugen Temperaturen im Bereich von 30–35 °C. Die Bakterienform Lactobacillus casei, die wir aus der Käseherstellung kennen, mag es mit 35–38 °C noch etwas wärmer.
     
    Milchsäurebakterien können die Stärke im Mehl ca. sechs mal effektiver abbauen als Essigsäurebakterien und bilden die Lebensgrundlage für die Sauerteighefen.
     
     
    Essigsäurebakterien (genauer: hetereofermentative Milchsäurebakterien)
    (hetereofermentativ= durch den Stoffwechsel entstehen mehrere Endprodukte, hier: Milch- und Essigsäure)
     
    Diese Essigsäurebakterien produzieren neben etwas Milchsäure hauptsächlich Essigsäure und auch etwas Kohlendioxid. Die häufigsten Arten im Sauerteig sind:

* Lactobacillus brevis
* Lactobacillus fermenti
* Lactobacillus pastorianus
* Lactobacillus büchneri
     
    Die Bezeichnung «Essigsäurebakterien» ist eigentlich nicht ganz korrekt, da es sich hierbei ebenfalls um Milchsäurebakterien («Lactobacillus») handelt. Andererseits unterscheiden sich die hetereofermentativen von den homofermentativen Milchsäurebakterien dadurch, dass sie neben der Milchsäure eben auch noch Essigsäure produzieren. Also ist die Bezeichnung «essigsäureproduzierende» Bakterien auch nicht ganz falsch und wir wollen sie beibehalten.
     
    Essigsäurebakterien mögen es kühler als Milchsäurebakterien. Optimal ist eine Temperatur von 20–25 °C. Ein Sauerteig, der bei Raumtemperatur gezogen wird, enthält deshalb also mehr Essigsäure als ein Sauerteig, der an einem warmen Ort steht.
     
    Essigsäurebakterien werden benötigt, um den Zersetzungsprozess des Fraßschutzgiftes Phytin, das das Getreide gegen Fraßfeinde schützen soll, aber im Roggenkorn das Backen stört, zu stoppen. Sie sind ferner für den unvergleichlichen Geschmack des Sauerteigbrotes verantwortlich.
     
    Da die Essigsäurebakterien den pH-Wert des Sauerteiges erheblich ins Saure verschieben, sollten sie nur ca. 10 bis maximal 20 Prozent der Bakterien im Sauerteig ausmachen. Durch die starke Säure ist der Sauerteig gut gegen den Befall von unerwünschten und zerstörenden Bakterien und Pilzen (z. B. Kolibakterien, Kokken, Wilde Hefen, Torulahefe, Kahmhefe, Schimmelpilze, Penicillium, Aspergillus, Kreideschimmel usw.) geschützt.
     
    Hefen (wilde Sauerteighefen)
    Die dritte wichtige Gruppe an Mikroorganismen bilden die Sauerteighefen. In Sauerteig sind es vor allem:

* Saccharomyces cerevisiae
* Pichia
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