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Der Saubere Tod

Titel: Der Saubere Tod
Autoren: Michael Kleeberg
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Imbißstube kaufte er sich eine Bratwurst und aß sie am Straßenrand. Spaziergänger, Familien und alte Leute tauchten auf. Die trockene, an den Einschnitten verbrannte Wurst, in Ketchup getaucht, der fettig rot auf dem Papptellerchen glänzte, füllte das hohle Gefühl in seinem Magen. Dann wartete er auf ein Auto, das ihn mit zurück in die Stadt nehmen würde. Jetzt am Nachmittag wurde es wieder kühler, und ein eisiger Wind kam auf.
    Schließlich reagierte ein alter Hanomag Pritschenwagen auf Johanns Winken, der hinter der Kirche übers Pflaster gerumpelt kam. Auf der Ladefläche lagen gelbe Torfsäcke, Rechen, Schaufel und Spaten. Auf der Tür stand: E.   Scharoun. Friedhofsgärtnerei. Der Fahrer beugte sich zur Beifahrerseite und öffnete Johann die Tür.
    Na, wo solls hingehen?
    In die Stadt, sagte Johann.
    Der Fahrer nickte. Ich fahre runter nach Zehlendorf. Ich kann dich am Funkturm rauswerfen.
    Ist gut, sagte Johann. Er betrachtete den Fahrer. Er konnte nicht einschätzen, wie alt der Mann sein mochte. Er hatteblondgraue Locken und wasserhelle Augen. Über einem blauen Arbeitsanzug trug er eine grüne Schürze. Unter seinen Fingernägeln war ein breiter schwarzer Rand. Im Fußraum vor Johann lag ein Paar schwarzer Gummistiefel, lehmig braun verkrustet. Der Mann pfiff und blickte auf die Straße. Ab und zu zuckte sein rechtes Auge unkontrolliert. Vor der Windschutzscheibe lag ein Stapel Comic-Hefte. Johann nahm eines. Es waren die Fantastischen Vier. Es war lange her, daß er eines angesehen hatte. Eine ganze Weile hatte er nichts anderes gelesen. Es war seltsam, den Gestalten wiederzubegegnen. Sie sahen auch anders aus. Jack Kirby zeichnete nicht mehr, auch Johnny Romita nicht. Als er das letzte Mal eines der Hefte gelesen hatte, war Sue schwanger, jetzt war Franklin bereits drei oder vier Jahre alt. Er überflog die Dialoge. Bevor es zum Kampf kam, stellten sie sich immer noch einander vor, prahlten unmäßig mit ihren Taten und erzählten, was sie dem Gegner antun würden. Johann erinnerte sich, wie sie die pathetische Sprache im Spiel nachgeahmt hatten und von sich selbst stets nur in der dritten Person sprachen.
    Magst du die auch so gern? fragte der Mann neben ihm.
    Lange her, sagte Johann.
    Ich sammel sie für meinen Sohn, sagte der Mann, aber eigentlich auch für mich. Ich fahr jeden Sonntag am Bahnhof vorbei und kaufe alle, die erschienen sind.
    Nur Fantastische Vier?
    Ja, das ist das einzige, was meinen Sohn interessiert.
    Du bist Gärtner? fragte Johann.
    Nee, ich bin nur der Fritz, der Geselle. Ich war heut da draußen in Lübars, um die Einsaat zu begutachten. Rings um die Kirche, weißt du. Es ist aber alles kaputt, erfroren.
    Ja, sagte Johann.
    Alles kaputt. Und ein Spaten ist mir auch kaputtgegangen. Na ja.
    Ich hab sie auch gerne gelesen, die Fantastischen Vier. Jede Woche.
    Was hast du da draußen gemacht? fragte Fritz.
    Spazierengegangen.
    Allein an so nem schönen Tag?
    So schön ist der Tag auch nicht.
    Keine kleine Freundin, die mit dir geht?
    Johann schüttelte den Kopf.
    In den Heftchen ist das gut gelöst. Die lieben sich. Sonst würden sie auch draufgehen. Ist dir das mal aufgefallen? Sind meistens gar nicht die Kräfte, ist die Liebe.
    Kennst du Spiderman? fragte Johann.
    Nein, was ist mit dem?
    Auch so einer. Aber der wird von niemandem geliebt und überlebt trotzdem. Der hat mit niemandem was zu tun.
    Ja, sagte Fritz. Vielleicht ist das sogar einfacher. Viele Leute denken ja, binde dich nicht ans Leben und die Menschen, sonst läßt du den Tod ein in dein Haus.
    Johann zündete sich eine Zigarette an. Und was hast du da draußen gemacht heute?
    Na ja, eben die Saat nachgesehen und den Boden gelockert und Torf gestreut, und nächstes Wochenende versuch ichs noch mal mit Gras. Ist nur schwer, weil alle Welt rüberlatscht. Machen alles kaputt. Kümmern sich nicht drum.
    Johann zog an seiner Zigarette.
    Spiderman solltest du mal versuchen. Den hatte ich noch lieber als die Fantastischen Vier. Ein Einzelgänger.
    Ja, kann mirs schon vorstellen, sagte Fritz, aber ich weiß nicht. Ich mag die Gefühle in den Heftchen, das ist es nämlich, was sie überleben läßt, die Gefühle, nicht die Stärke, weißt du, aber vielleicht erträgt man die Vergänglichkeit leichter, wenn man sich nicht allzu leidenschaftlich einläßt auf das, was man ja doch nicht halten kann. Ich habe geheult vorhin, als ich sah, daß die Aussaat erfroren war, verrückt,was, du denkst auch, ich bin nicht ganz
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