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Der Saubere Tod

Titel: Der Saubere Tod
Autoren: Michael Kleeberg
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kannte.
    Bitte komm und hol das Ding hier weg, sagte Peter. Schnell. Komm. Es liegt hier direkt neben mir. Auf dem Tisch. Neben einem Weinglas und einem Teller. Bitte, ich möchte, daß es fort ist.
    Steht da auch ein Kasten mit Hammer und Glasscherben?
    Peter schwieg.
    Was ist denn nur mit dir los? fragte Johann.
    Nichts. Komm bitte, sagte Peter müde. Dies eine Mal: Bitte.
    Johann schwieg einen Moment.
    Ich komme, sagte er dann und legte auf.
    Er zog sich an, Pullover, Hose, Mantel, Schal und Stiefel, und ging aus der Wohnung. Das Treppenhaus war kalt. Johann zählte 64   Stufen. Im Innenhof war es still, es war Sonntag. Auf dem dünnen Baum und im braunen Gras hinter der Brandmauer zwitscherten die Amseln. Johann trat hinaus auf die leere Oranienstraße. Der Himmel war wolkenlos, die Sonne war noch nicht aufgegangen. Es war kalt, aber nicht mehr so kalt wie in den Wochen zuvor. Die Haustür des Nebenhauses war dunkelbraun. Johann blickte anihr vorbei hinunter zum Heinrichplatz. Dann drehte er sich um und ging Richtung Kottbusser Tor zur U-Bahn .
    Unter den dröhnenden Brücken der Yorckstraße kam er wieder ans Licht und stieg den Kreuzberg hinauf. Noch immer ruhte die Stadt, braunes Gebirge unter einem violetten Morgenhimmel, und Johann stapfte querfeldein hinauf, durch die tiefe morastige braune Erde über die bitteren silbernen und roten Gräser. Ein aromatischer Vorfrühlingswind zauste hoch oben dürre Baumkronen, der knochenfarbene Kies knirschte unter seinen Stiefeln. Mehrmals blieb er stehen und sah zurück auf die Stadt, die unter ihm lag. Oben stand er im Wind im beginnenden Tag und versuchte, seine Gedanken zu sammeln, aber der Wind blies durch ihn hindurch und trug sie fort. Es war kein Mensch zu sehen, und nur das ferne Verkehrsgeräusch vom Mehringdamm erinnerte Johann an das Leben anderer. Er blieb eine Weile dort oben und sah zu, wie der Himmel heller wurde, schaumig grau, und als der Wind ihn durchgekühlt hatte, stieg er an der Ostseite wieder hinab. Er inhalierte den Rauch seiner Zigarette tief, den warmen bitteren Geschmack, der Kies unter seinen Augen knirschte, die Wiesen waren braun und tief, die Baumstämme pechschwarz vor Nässe.
    Johann kreuzte den Mehringdamm und ging die Willibald-Alexis-Straße hinab, vorbei an den gepflegten renovierten Gründerzeithäusern. Ein junges Ehepaar mit Hornbrillen, Jeans und Parkas schob heftig diskutierend einen Kinderwagen an ihm vorbei.
    Hier also hatten sie seinerzeit das Straßenfest in Tränengas aufgelöst, und die Kinder waren mit ihren Lollis schreiend, mit geschwollenen Augen über das Pflaster gerannt, und in einer der Wohnungen hatte sich Maria bis zum nächsten Morgen im verdunkelten Zimmer versteckt, während sie die Häuser durchsuchten.
    Johann kam auf den leicht abschüssigen Chamissoplatz.Der Spielplatz auf der Bauminsel in der Mitte war noch leer, die Häuser waren schön, der Platz war geschlossen wie ein Burghof, auf einem Ast stritten laut keckernd zwei Krähen miteinander, ihr Gezeter hallte zwischen den Mauern. Ein junger Mann mit langen Haaren trat aus einer Haustür. Er trug einen Staubsauger und öffnete die Tür eines Ford. Die Krähen flatterten über die Dächer davon. Johann ging zur U-Bahn .
    Vor dem Bahnhof Zoo lehnten fünf Penner an der Steinmauer. Auf dem Sims hinter ihren Schultern stand säuberlich aufgereiht eine ganze Batterie leerer Weinbrandflaschen. Die Männer trugen verfilzte Mäntel und starrten aus kleinen Augen auf den Platz, auf die Kirchenruine, auf das Mauerriff, auf die gestrandeten Bauwerke. Sie starrten und vertraten sich die kalten Füße, gaben eine neue Flasche herum. Die Leute, die aus dem Bahnhof traten, machten weite Bogen um sie. Einer der Männer drehte sich zur Wand und pißte dagegen. Der Urin lief die Mauer hinab und staute sich in dem dunklen Schmutz auf den Steinplatten.
    Johann ging die Hardenbergstraße entlang. Am Steinplatz betrat er das Filmbühnencafé. Es war gedrängt voll. Die Morgenvorstellungen der Berlinale waren gerade aus, und die Besucher strömten in die Cafés, um zu frühstücken. Es waren meistens Gruppen junger Leute, extra aus Westdeutschland angereist, bei Freunden und entfernten Bekannten untergebracht, die das Wettbewerbsprogramm verachteten und das Arsenal zu den Vorstellungen flimmernder Experimentalfilme füllten. An Johanns Tisch verzehrten vier norddeutsche Kunststudenten ein umfangreiches englisches Frühstück, Spiegeleier mit kroß gebratenem Speck, Toasts
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