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Der Saubere Tod

Titel: Der Saubere Tod
Autoren: Michael Kleeberg
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mit Orangenmarmelade, und tranken Cappuccino dazu. Eines der Mädchen hatte einen Zeitplan neben sich liegen, ein anderes einen ganzen Stapel Broschüren, den sie immer wieder durchsah. Sie waren so hektisch, als würden ihre eigenenFilme gezeigt, und sie blickten einander über den Tisch in ihre roten müden Augen, als wären sie Darsteller in neuen, schwarzweißen, schnellgeschnittenen, kühlen Großstadtromanzen.
    Die vier an Johanns Tisch diskutierten über den Film, den sie gerade gesehen hatten.
    Es war banal, banal, banal, dieses ganze Gequatsche.
    Das macht er doch extra. Damit verarscht er die Leute doch.
    Den Engel fand ich sympathisch.
    Mir ist offengestanden nicht ganz klar, was er eigentlich wollte.
    Und diese Blumenbilder! Diese Wiesen!
    Es fällt ihm halt nichts mehr ein. Er ist tot seit One plus one.
    Ich bitte dich: Sauve qui peut war genial.
    Da wurde auch zuviel gequatscht.
    Du mußt dich eben auf diese Art Humor einlassen.
    Aber seine Schnitte sind noch immer grandios.
    Gerade die haben mich enttäuscht. Ich fands amateurhaft.
    Hört doch mal zu: Die Geschichte! Die Geschichte, darauf kommts an! Die Jungferngeburt, der Mythos. Die Erde! Das ist es, der Mythos muß wieder her.
    Du immer mit deinem Mythos.
    Aber ja. Der ironisierte Mythos ist das einzige, was wir noch gegen all die Banalität ausrichten können.
    Und trotzdem wird zuviel gequatscht in diesem Film.
    Johann zahlte und verließ das Café.
    Ein Bus hielt, und er stieg ein. Der Bus fuhr nach Nordwesten, und Johann blickte aus dem Fenster, ohne etwas wahrzunehmen. Er stieg mehrmals um und fuhr schließlich quer durch Reinickendorf auf der Oranienburger Straße nach Norden. An der Endstation des letzten Busses stieg Johann aus. Er war in Lübars. Die Haltestelle befand sichvor einer kleinen Kirche, die auf einem Wiesenoval stand. Die kopfsteingepflasterte Straße umrundete sie und führte wieder zurück. Von hier aus ging es nicht mehr weiter. Es war das Ende der Stadt. Lübars, ein märkisches Dörfchen, bestand nur aus der kleinen Kirche, die verschlossen war, einer Gaststätte, einem Kaufladen, einigen Häusern und Bauernhöfen, hinter denen das Land begann. Den südlichen Horizont bildete hinter Bäumen das schneeweiße Gebirge des Märkischen Viertels.
    Johann schlug einen Feldweg ein, der zwischen zwei Häusern hindurch aus dem bebauten Gebiet führte. Die Wiesen und Weiden längs des Wegs waren von tiefer lehmiger Erde, die Gräben und Tümpel des Tegeler Fließes glichen dunklen Spiegeln, an deren Rand silberne Grasbüschel wucherten. Zur Rechten standen zwei Pferde auf einer Koppel, links grasten Kühe hinter einem elektrischen Zaun. Eine alte emaillierte Badewanne war mitten auf der Wiese aufgestellt. Einige Schilfhalme wiegten sich im Wind. Johann ging auf einen Wald zu, aber links und rechts von ihm breiteten sich nur Wiesen aus. Ein Krähenschwarm flog aus dem Geäst eines Baumes am Wegrand auf, und irgendwo schlug ein Häher. Ein Bauer startete seinen Traktor auf einer der Wiesen, und die Räder wühlten sich durch die Grasnarbe in die braune Erde wie Schaufeln.
    Johann überquerte eine Holzbrücke und stieg dann über eines der wackligen Gatter. Die Zweige eines Holunderstrauches kratzten im Wind aneinander. Johann folgte einem Graben, an dessen Flanke knorplige Obstbäume wuchsen. Schließlich kreuzte der Bach seinen Weg, zu breit, ihn zu überspringen. Johann setzte sich auf einen festen Grasbüschel und zog einen seiner Stiefel und den Strumpf aus. Er tauchte den Fuß ins Wasser. Es war so kalt, daß er sofort jedes Gefühl verlor. Er massierte den Fuß und setzte ihn auf den Boden. Die Erde war weich und schlammig, und dergrünlich-braune stinkende Modder quoll zwischen seinen Zehen hindurch. Johann blickte auf. Am anderen Ufer des Baches schimmerte es weiß wie eine marmorne Tempelruine zwischen Bäumen und Gestrüpp: die Mauer. Vögel zwitscherten warnend in den Zweigen. Johann folgte dem Ufer des Tegeler Fließes am Waldrand entlang, bis er an einen aufgeschütteten Damm gelangte, wo der Weg zu Ende war. Er zwängte sich durch knackend-dürres Brombeergestrüpp und stieg auf den Damm. Vor ihm lag die Mauer, dahinter der gepflügte Erdstreifen, die Straße und dann Brachland. Johann marschierte auf dem plattgetretenen gelben Gras des Dammes zurück. Jenseits der Mauer kam ein Jeep die Straße entlang. Die beiden Soldaten beachteten Johann nicht. Er erreichte einen Feldweg und ging ins Dorf zurück.
    In einer
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